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Blütenpracht und Weltanschauung

Gottorfer Codex

Eine Ausstellung des aus rund 360 farbenprächtigen Malereien bestehenden Pflanzenatlas auf Schloss Gottorf.

Der Gottorfer Codex ist das umfangreichste Pflanzenbuch des 17. Jahrhunderts, auf 363 Seiten werden 1180 Blumen naturgetreu auf grossflächigen Einzelblättern wiedergegeben. Er zeigt die einstige Blumenpracht des barocken Gartens von Herzog Friedrich III. (1597-1659) von Schleswig-Holstein Gottorf. Er liess dieses Florilegium zwischen 1649 und 1659 durch den Hamburger Blumenmaler Simon Holtzbecker ausführen.

Unter dem damaligen Schlossherrn Herzog Friedrich III. entwickelte sich Gottorf zu einem der bedeutendsten Höfe der Epoche. Das Schloss galt als eines der kulturellen Zentren Nordeuropas - Riesenglobus, die Sammlungen der Kunst- und Wunderkammer sowie der Bibliothek waren berühmt. Und Friedrich III. liess auch den Neuwerkgarten anlegen, um eine Pflanzenvielfalt vor Ort zu haben, die dann im Gottorfer Codex dokumentiert werden sollte. Im Gottorfer Schlossgarten wuchsen um das Jahr 1650 mehr als 1150 Pflanzenarten aus aller Welt. Neben zahlreichen einheimischen Sorten zeigt der Atlas auch exotische Pflanzen wie Hyazinthen-, Narzissen- und Tulpenarten, Zitrusgewächse und Aloen.

Über den Blumenmaler Holtzbecker ist nur wenig bekannt. Er war Hamburger, hatte 5 Kinder, lebte mit seiner Familie in der Kirchengemeinde St. Petri und verstarb 1671. Er malte in den Jahren 1649 bis 1659 die Blumen teilweise vor Ort im Gottorfer Garten, zum Teil wurden die zur damaligen Zeit exotischen Pflanzen in speziellen Gefässen zu ihm nach Hamburg gebracht, wo er die Blütenpracht auf Pergamentbögen mit Gouache stilsicher und maltechnisch überzeugend wiedergegeben hat.

Mittels der Pergamente konnte Friedrich III. die Gottorfer Pflanzenpracht zu jeder Jahreszeit unabhängig von der Blütezeit der verschiedenen Blumen Gästen präsentieren. Zunächst schienen die in neuen Garten angesiedelten Pflanzen aus aller Welt nicht primär für die Repräsentation gedient haben, sondern sollten wie eine lebendige Kunst- und Wunderkammer der aufkommenden Neugier an botanischen und biologischen Fragen dienen. Denn im 16. Jahrhundert wurden Pflanzen in der Kunst als Symbolträger eingesetzt - die Lilie zum Beispiel stand dabei vor allem für Reinheit. Ab dem 17. und 18. Jahrhundert rückte das Naturstudium in den Mittelpunkt. Es ging fortan darum, Pflanzen so korrekt wie möglich darzustellen, um sie wissenschaftlich zu verstehen. Und dazu gehörte eben nicht nur die Schönheit der Blumen, sondern auch Dinge zu zeigen, die unter der Erdoberfläche lagen - daher auch das Interesse an einer Pflanzenzwiebel.

Allerdings erlebte der Herzog die Vollendung Holtzbeckers Arbeit nicht mehr. Sein Sohn Christian Albrecht liess die Pergamente beschneiden und zum Codex zusammenbinden.

Der Gottorfer Codex seit 1749 in dänischem Besitz

Nach der Niederlage der Gottorfer im Nordischen Krieg gegen ihre dänischen Nachbarn wurden alle Kunstschätze - einschliesslich der Bibliothek mit dem Gottorfer Codex - 1749 nach Kopenhagen gebracht, wo sie den Königlichen Sammlungen einverleibt wurden. Da dem Gottorfer Codex Titelblatt und Impressum fehlten, geriet die Autorenschaft des Pflanzenbuches in Vergessenheit, obwohl auf den ledernen Buchdeckeln das Wappen von Schloss Gottorf prangte und somit zumindest die Herkunft der vier Folianten dokumentierte.

Seit dieser Zeit schlummerte das Werk vergessen in einem Kopenhagener Archiv, bis die Kunsthistorikerin Helga de Cuveland im Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg auf das Werk aufmerksam wurde, in ihrer Dissertation dessen Herkunft, Entstehungsgeschichte, Bedeutung publik machte und für eine Sensation sorgte. Sie konnte das historische Pflanzenbuch dem Hamburger Blumenmaler Holtzbecker zuordnen. Ausserdem gab sie dem bis dahin titellosen Werk einen Namen: Gottorfer Codex. Denn schliesslich stammt das sogenannte Florilegium von der Schlossanlage in Schleswig her.

Im Lichte der Öffentlichkeit beklagte die Kunsthistorikerin den schlechten Zustand der Gouachen. Die vier Prachtbände, die bis dahin im Magazin des Museums schlummerten, erhielten dadurch neue Wertschätzung und es entstand ein aufwändiges Konzept zur Konservierung, Restaurierung und Digitalisierung des Gottorfer Codex. Aber erst ab 2009 wurde der Codex restauriert, als die Möglichkeiten dafür gegeben waren. In einem gemeinsam finanzierten Restaurierungsprojekt konnten die Blätter wieder in einen guten Zustand versetzt werden. Wichtig wurde der wiederentdeckte Pflanzenatlas, als der Barockgarten von Schloss Gottorf rekonstruiert wurde. 2005 wurde der erste Abschnitt eröffnet. Dank der Wiederentdeckung des Codex wusste man, was man zu pflanzen hatte.

Die Ausstellung

Nach 350 Jahren ist der Gottorfer Codex von Kopenhagen leihweise nach Schleswig zurückgekehrt. Das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf zeigt die dänische Ausstellung erstmals wieder in Gänze auf Schloss Gottorf mit 160 Blumenmalereien auf grossformatigen Einzelblättern. Sie sind in der Reithalle von Schloss Gottorf zu sehen.

Die Ausstellung der Werke aus dem Pflanzenbuch ist überwältigend: An einer Wand in der Reithalle des Schlosses hängen die gerahmten Einzelblätter mit Blumendarstellungen - Gouachen auf Kalbspergament. Davor liegen vier grosse Bücher, in denen die Blätter vor ihrer Restaurierung gebunden waren. Die Illustrationen sind bunt, detailliert und fesseln den Blick.

Die Qualität des Gottorfer Codex geht weit über die in der Zeit übliche Erfassung der heimischen und exotischen Prachtpflanzen hinaus und wird damit zu einem einmaligen botanischen Werk, das im 17. Jahrhundert seinesgleichen sucht.

In der Ausstellung werden auch mehr als 50 grossformatige Blumenstillleben sowie Gemälde aus den königlichen Gemächern Dänemarks gezeigt. Das Statens Museum for Kunst in Kopenhagen hat nicht nur den kompletten Gottorfer Codex, sondern gleich eine ganze Ausstellung mit zahlreichen hochkarätigen Blumengemälden ausgeliehen, die teils in den königlichen Gemächern Kopenhagens hängen und sonst nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Die Ausstellung "Gottorfer Codex. Blütenpracht und Weltanschauung" läuft noch bis 26. Oktober. Nach der Ausstellung kommt der Gottorfer Codex zurück ins Kopenhagener Archiv.

Autor: VHSt/Schloss-Gottorf Landesmuseum
Fotos: Statens Museum for Kunst Kopenhagen/Severin

HBZ · 09/2014
 
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