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Titelfoto: © Ansicht des Chilehauses (c) stahlpress

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Hiltgunt Zassenhaus - 100 Jahre

Am 10. Juli 2016 wäre die Flottbekerin Frau Dr. med. Hiltgunt Zassenhaus 100 Jahre alt geworden - eine Frau mit den höchsten Auszeichnungen.

Sie wurde vom Norwegischen Parlament 1974 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, ausgezeichnet mit dem Norwegischen "St. Olavs Orden", dem Dänischen "Dannebrog Orden", den höchsten Auszeichnungen dieser beiden Länder, geehrt mit dem Bundesverdienstkreuz, mit der "Hamburgische Ehrendenkmünze in Gold" (zweithöchste Auszeichnung nach der Ehrenbürgerwürde Hamburgs) und wurde Ehrensenatorin der Universität Hamburg - übrigens gleichzeitig mit Loki Schmidt. Ferner wurde ihr von 6 amerikanischen Universitäten die Ehrendoktorwürde verliehen. In der Ausstellung "Hammonias Töchter, Frauen und Frauenbewegungen in Hamburgs Geschichte" im Museum für Hamburgische Geschichte wurde auch sie wegen ihres Widerstands gegen das Naziunrecht gewürdigt.

Ihr Vater war als direkter Nachfolger der Namensgeberin Bertha Uhl ab 1916 der Direktor des Bertha-Lyzeums. Er wurde kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten "aus dem Dienst entfernt".

1935 bestand Hiltgunt Zassenhaus ihr Abitur im Gymnasium Allee (Max-Brauer-Allee) in Altona, wo seit 2008 ein Bronzerelief der Künstlerin Doris Waschk an sie erinnert. Danach verbrachte sie 1½ Jahre im freien Dänemark, wo ihr Entschluss reifte, in Hamburg Skandinavistik zu studieren; sie wurde 1938 Diplomübersetzerin für skandinavische Sprachen und erhielt als solche die offizielle Zulassung an Hamburgischen Gerichten.

Nach der Invasion der deutschen Truppen in Dänemark und Norwegen 1940 wurden dort viele politische Gegner festgenommen und nach Deutschland - viele in das Zuchthaus Fuhlsbüttel - deportiert. Das Justizministerium in Berlin verpflichtete Hiltgunt Zassenhaus als vereidigte Dolmetscherin und für die Zensur der Gefangenenpost. Sie erhielt dafür den grünen Polizeiausweis "mit Waffenerlaubnis".

Ihre Erziehung in einer Familie des Bildungsbürgertums gebot ihr, das Unrecht und das Elend der Gefangenen nicht zu ignorieren, sondern "Mut zum selbständigen Denken, den Glauben an die Stimme meines Gewissens und die Liebe zum Menschen" zu bewahren. Was ihr Vater ihr über den "Tanz um das goldene Kalb" erzählt hatte, konnte sie erst später nachvollziehen, "als die Bücher unserer Jugend in Flammen aufgingen, wenn immer wir den starren Blick und den ausgestreckten Arm sahen, wenn wir die Stiefel marschieren hörten und erleben mussten, wie die Menschenwürde zertrampelt wurde." (Zitate aus der Erwiderungsrede von Hiltgunt Zassenhaus anlässlich der Überreichung der Ehrendenkmünze durch Bürgermeister Dohnanyi in Hamburg am 24. Januar 1986).

Viel Mut bewies die 25 jährige, die inzwischen Medizin studierte, als sie die Briefe der politischen Häftlinge, die in mehr als 50 Zuchthäusern und Lagern über das "Großdeutschen Reich" verteilt waren, nicht nur zensierte, sondern heimliche Nachrichten (z. B. "schicken Sie Lebensmittel") hinzufügte, Kassiber schmuggelte und mit den Häftlingen betete - ein grober Verstoß gegen die strengen Zuchthausregeln. Später schmuggelte sie heimlich unter ständiger Lebensgefahr für die unterernährten, entkräfteten, kranken und gequälten Häftlinge Nahrungsmittel, Vitamine, Medikamente und hoffnungsspendende Informationen sowie Bleistifte und Papier in die Haftanstalten. Sie hatte Zivilcourage und nutzte ihre Tätigkeit, um den Gefangenen zu helfen.

1943 erhielten die politischen Gefangenen in Fuhlsbüttel das Recht, alle vier Monate Besuch zu empfangen. Der norwegische und der dänische Seemannspfarrer in Hamburg (sie gab es erstaunlicherweise noch) besuchten die Gefangenen und Hiltgunt Zassenhaus musste sie begleiten, beaufsichtigen und die Gespräche zwischen ihnen und den Gefangenen überwachen. Ganz allmählich entwickelte sich daraus ein sehr enges Vertrauensverhältnis zwischen allen Beteiligten.

Die Angst, dabei von den allgegenwärtigen Augen und Ohren der Gestapo entdeckt zu werden, vor Verhaftung, Folter und Tod "war wie mein Schatten; aber unvergessen sind die Augenblicke, wenn ich sie überwand … und wenn immer ich versuchte zu helfen, wurde mir geholfen." (Zitat s.o.) Es umgab sie ein Netz unerkannt gebliebener Sympathisanten und Helfer. Zweimal wurde sie von der Gestapo vorgeladen - linientreue Denunzianten waren überall. Aber sie konnte sich glaubwürdig herausreden.

Heimlich legte sie eine Kartei von allen rund 1200 von ihr "betreuten" Gefangenen mit ihren oft wechselnden Aufenthaltsorten an; ein lebensgefährliches Unterfangen! Diese Kartei gelangte auf geheimen Wegen mit Unterstützung der skandinavischen Seemannskirchen in Hamburg an das schwedische Rote Kreuz. Damit gelang es diesem bei SS-Chef Heinrich Himmler, die vom "Führer" befohlene Liquidierung der inhaftierten Norweger und Dänen zu verhindern. Somit hat hauptsächlich Hiltgunt Zassenhaus' Kartei dazu beigetragen, über 1200 dänische und norwegische Häftlinge zu lokalisieren und ihnen somit das Leben zu retten. Sie wurden im April 1945 aus den Zuchthäusern geholt und nach Schweden gebracht.

Es war mehr als "nur" Zivilcourage, sondern ein Beleg dafür, dass es nicht allein den Widerstand gab, der in den Geschichtsbüchern genannt wird. Es gab auch den Widerstand des einzelnen Menschen im Alltag, der sein Leben dafür riskierte, denn die Gestapo kannte keine Gnade.

Nach dem Krieg schloss Hiltgunt Zassenhaus ihr Medizinstudium, das sie in Hamburg begonnen hatte, in Kopenhagen ab. 1952 siedelte sie mit ihrer Mutter in die USA nach Baltimore über und führte dort bis ins hohe Alter ihre Arztpraxis.

Im November 2004 starb sie - vom Alter gezeichnet - mit 88 Jahren.

Hiltgunt Zassenhaus war nicht verheiratet; "aber ich habe 54 Kinder" sagte sie einmal mit einem Augenzwinkern "skandinavische Patenkinder".

Ihre romanhafte Autobiographie "Ein Baum blüht im November" erschien 1974 in Deutschland, wurde ins Englische, Französische, Holländische und in die skandinavischen Sprachen und sogar ins Japanische übersetzt und erhielt verschiedene Auszeichnungen. "Ein ergreifendes Zeugnis der Nächstenliebe und Menschlichkeit aus dem Zweiten Weltkrieg. … Bombennächte, Trümmer und Tote, Chaos und Feuersbrünste, deren Glut mitten im November Bäume zum Blühen brachte".

Autor: Rolf Anthony
Fotos: Matthias du Vinage

HBZ · 06/2016
 
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