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Der alte Elbtunnel feiert seinen 100. Geburtstag

Als der alte Elbtunnel, auch "St. Pauli Elbtunnel" genannt, am 7. September 1911 unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung eröffnet wurde, war er eine technische Sensation - heute ist er ein nostalgisches und liebevoll gepflegtes Stück Hamburger Geschichte.

Der markante quadratische Kuppelbau an den St. Pauli-Landungsbrücken beherbergt die Maschinerie und die vier grossen Fahrkörbe, die Menschen und Fahrzeuge seit 1911 in fast 24 Meter Tiefe transportieren. Durch zwei gekachelte Röhren mit 6 m Durchmesser geht es nach 426,5 Metern unter der Elbe in Steinwerder wieder ans Tageslicht. Nach Inbetriebnahme nutzten rund 2 Millionen Personen jährlich den Tunnel zur Elbunterquerung; heutzutage sind es keine 500.000 Fussgänger pro Jahr mehr.

Zahlreiche Filmteams haben hier unten gedreht, und auch einen erfolgreichen Weltrekord der Modelleisenbahner hat dieser altgediente Tunnel schon beherbergt.

Erster Flusstunnel auf dem europäischen Kontinent

Der alte Elbtunnel galt bei seiner Eröffnung 1911 als technische Sensation: Er war der erste Flusstunnel auf dem europäischen Kontinent, der nach dem Vorbild des englischen Clyde- Tunnels in Glasgow erbaut wurde. Etwa 45.000 Arbeiter, die damals in Werften und Hafenbetrieben am Südufer arbeiteten, mussten zweimal täglich die Elbe überqueren. Um die zunehmenden Verkehrsströme auf der Elbe in den Griff zu bekommen, wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts über eine dauerhafte technische Lösung zur Elbquerung nachgedacht. Anlass war das enorme Wachstum des Hamburger Hafens auf der gegenüberliegenden Elbseite. Man erhoffte sich davon weniger Behinderung der Schifffahrt durch kreuzende Hafenfähren und eine verbesserte Anbindung der grossen Werften auf Steinwerder, wie Blohm & Voss, AG Vulcan und der Reiherstiegwerft sowie der Umschlagsplätze der neu entstandenen Hafenbecken im Bereich des Freihafens. Die seit 1888 bestehenden Fährlinien der HADAG konnten den Strom der Arbeiter bei Schichtwechsel nicht bewältigen. Ins gesamt waren 1895 im Hamburger Hafen 20.000 Werft- und 25.000 Hafenarbeiter beschäftigt. Hinzu kam, dass viele sich die Fähren finanziell nicht leisten konnten oder der Betrieb witterungsbedingt, zum Beispiel im Winter bei Nebel, Schnee und Eis, eingeschränkt war. Das bedeutete für die Hafenbetriebe Arbeitsausfall und für die Arbeiter entsprechende Lohnkürzungen. Die Verhältnisse wurden so eklatant, dass die Inhaber der Werften und "industriellen Etablissements" im Jahr 1891, unterstützt von einem Streik der Arbeiter, eine Eingabe an den Senat richteten.

Schwierige Planungsphase

Es sollten allerdings noch einige Jahre vergehen, bis Senat und Bürgerschaft sich entschlossen, den Tunnel zu bauen. Als technische Lösungen waren zunächst eine bewegliche Brücke und eine Schwebefähre in der Diskussion. Beide Lösungen hätten aber den Schiffsverkehr behindert und wurden daher wieder verworfen. Eine ebenfalls untersuchte Lösung mittels Hochbrücke hätte eine lichte Höhe von 55 Meter haben müssen und wäre dadurch sehr teuer geworden. Da es zu dieser Zeit bereits englische und amerikanische Vorbilder gab, die die grundsätzliche technische Machbarkeit einer Flussunterquerung demonstrierten, wurde auch ein Tunnel in die Überlegungen einbezogen. Schliesslich wurde 1901 die Entscheidung für eine Tunnelplanung getroffen. Baurat Ludwig Wendemuth entwarf die Pläne und nach verschiedenen Planänderungen erfolgte der erste Spatenstich im Juli 1907. Etwa 4 Jahre später, am 7. September 1911, fand die Eröffnung unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung statt.

10,7 Mio. Goldmark Baukosten

Rund 4.400 Arbeiter wurden beim Bau des Tunnels eingesetzt. Um die Arbeiter vor einflutendem Wasser zu schützen, wurden Druckluftschleusen verwendet. Die Baustelle galt zu jener Zeit als eine der gefährlichsten in Hamburg, fast 700 Arbeiter wurden bei dem Bau des alten Elbtunnels verletzt (Taucherkrankheit), fünf verstarben. Für den Tunnel wurden 5.000 Tonnen Eisen, 200 Tonnen Blei und 600.000 Nieten verarbeitet. Zwei 6 Meter hohe und 426,5 Meter lange Elbröhren, die 23 Meter unter der Elbe liegen, verbinden die St. Pauli Landungsbrücken mit Steinwerder. Die gekachelten Tunnelröhren haben einen Durchmesser von sechs Metern und der Zugang für Fussgänger erfolgt über die zwei Kuppelbauten mit einem Treppenhaus für Fussgänger und Aufzüge für Fahrzeuge/ Fussgänger. Das Gebäude auf der Stadtseite wurde von den Architekten Raabe und Wöhlecke entworfen. Auf der anderen Elbseite wurde ein Ziegelbau errichtet, der im Krieg durch Bombenangriffe schwer getroffen und vereinfacht wiederaufgebaut wurde. 1961 wurden die letzten Spuren des Krieges beseitigt.

Seit 1995 besteht ein umfassendes Programm zur Grundinstandsetzung mit dem Ziel, das ursprüngliche Erscheinungsbild von 1911 wiederherzustellen und gleichzeitig die technischen Anlagen dem Stand der Technik anzupassen. Zu seinem 100-jährigen Bestehen wird der alte Elbtunnel wieder im alten Glanz erscheinen. 2003 wurde der alte Elbtunnel unter Denkmalschutz gestellt.

Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst

Der alte Elbtunnel ist ein beliebtes Ausflugsziel. Wer ihn kennt, der weiss, welche besondere Atmosphäre von ihm ausgeht. Faszinierend ist seine aussergewöhnliche Konstruktion mit den in einer offenen Stahlkonstruktion fahrenden Fahrstühlen. Es kann daher nicht überraschen, dass er sich in den vergangenen Jahren neben seiner alltäglichen Funktion auch zu einem Kult-Veranstaltungsort in Hamburg entwickelt hat. Ereignisse wie der Elbtunnel- Marathon, bei dem der Tunnel 48 Mal zu durchlaufen ist, oder die Elb-Art, eine Präsentation zeitgenössischer Kunst aus dem In- und Ausland, finden inzwischen jährlich statt. Und Beispiele für besondere Veranstaltungen im St. Pauli- Elbtunnel waren der erfolgreiche Rekordversuch zum längsten Modelleisenbahnzug der Welt, die Präsentation einer neuen Sportmodekollektion mit einem Überraschungsauftritt des Sängers Sasha oder die Produktpräsentation eines Gabelstaplerherstellers.

Viele schmückende Details machen ihn ausserdem für viele Besucher zum schönsten Tunnelbau der Welt. Zu Recht hat 2007 die Bundesingenieurkammer dem alten Elbtunnel als eines der bedeutendsten Ingenieurbauwerke des 20. Jahrhunderts den Titel "Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst" verliehen.

Autor: VHSt
Fotos: Severin

HBZ · 09/2011
 
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