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Ein vernachlässigtes Erbe

Der Neue Israelitische Tempelverein

Wer schon einmal in der Oberstraße spazieren war, kennt das imposante Gebäude, das heute das Rolf-Liebermann- Studio des NDR beherbergt. In der schlichten Fassade offenbart ein kreisrundes Fenster beim genauen Hinsehen einen stilisierten, siebenarmigen Leuchter - die Menora, eines der wichtigsten Symbole des Judentums.

Was die wenigsten wissen: Bei dem Gebäude handelt es sich um den letzten Tempel des "Neuen Israelitischen Tempelvereins". Seine Entweihung während der Novemberpogrome von 1938 beendete eine Geschichte, die heute außerhalb Hamburgs fast bekannter ist als in der Stadt selbst: Die Gründung der ersten offiziellen jüdischen Reformgemeinde am 11. Dezember 1817 war eine der Geburtsstunden des liberalen Judentums.

Nach der Gründung bezogen sich andere liberale Gemeinden immer wieder auf das Hamburger Vorbild - selbst in den USA.

Geburtsstunde des liberalen Judentums

Reformbestrebungen hatte es im Judentum schon länger gegeben. Vielleicht war es passend, dass sie ausgerechnet in Hamburg eine erste institutionelle Form erhielten: Anfang des 19. Jahrhunderts war die hiesige jüdische Gemeinde mit über 6.300 Mitgliedern die größte in Deutschland. Viele von ihnen fühlten sich den Ideen der Aufklärung verbunden und strebten nach der Integration in die deutsche Gesellschaft.

Aus diesem Streben entstand im Jahr 1815 zunächst die Israelitische Freischule. Im Gegensatz zu anderen jüdischen Schulen in Hamburg wurde in ihr vor allem Wert auf die Vermittlung der deutschen Sprache und weltlicher Bildung gelegt. Im Jahr 1817 wurde Eduard Kley Rektor der Schule, nachdem er zuvor in Berlin an religiösen Reformbestrebungen mitgewirkt und Erfahrungen als Prediger gesammelt hatte. Nun begann er, in den Räumen der Schule zunächst sonntägliche Andachten abzuhalten. Sie fanden zunehmenden Zuspruch und führten zur Gründung des Neuen Israelitischen Tempelvereins, dessen erster Prediger Kley wurde.

Die Bezeichnung "Prediger" allein deutet die Revolution an, die sich im Ritus des Tempelvereins vollzogen hatte: Lehrpredigten nach protestantischem Vorbild, Choräle, Orgelmusik - gespielt von einem Christen - und die deutsche Sprache hielten Einzug in den wesentlich gekürzten Gottesdienst. Dieser sollte nun vor allem der Erbauung und nicht nur der Pflichterfüllung dienen. So wollten die Mitglieder des Tempelvereins ihre religiöse Praxis der neuen Zeit und ihren gewandelten Bedürfnissen anpassen. Dazu gaben sie auch ihr eigenes Gebetbuch heraus. Statt um die Rückkehr nach Jerusalem und den Wiederaufbau des Tempels beteten sie nun darum, dass Gottes Segen sie an ihrem gewählten Heimatort erreichen solle. Sicher spielte bei den Reformen auch der Wunsch eine Rolle, sich den Bräuchen und Sitten der umgebenden Gesellschaft weiter anzupassen und so die eigene Integration zu fördern. Nicht zufällig wurde der 18. Oktober 1818, der Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, als Termin für die Einweihung des ersten Tempels des Vereins gewählt - in einem ehemaligen Tanzlokal in der Ersten Brunnenstraße in der südlichen Neustadt.

Der Tempel in der Poolstraße - ein bewahrenswerter Ort der Erinnerung

Da die Gemeinde schnell wuchs, wurde 1842 mit dem Bau eines neuen Gebäudes begonnen, nun in der Poolstraße. Von 1844 bis 1931 war dort das religiöse Zentrum des Tempelvereins, bevor der Umzug in die Oberstraße erfolgte. Nach einem Bombentreffer im Jahr 1944 stehen heute nur noch Reste des Tempels in der Poolstraße. Sie befinden sich im Hinterhof einer Autowerkstatt und sind vom weiteren Verfall bedroht. Mahnungen des Denkmalschutzamts haben bisher offenbar nichts genutzt.

Dabei besitzt dieser Ort noch immer Strahlkraft: Am 11. Dezember 2017 trafen sich dort liberale Jüdinnen und Juden aus aller Welt, um dem 200. Jahrestag der Gründung des Neuen Israelitischen Tempelvereins zu gedenken. Eingebettet war dieses Gedenken in ein Rahmenprogramm mit wissenschaftlicher Tagung, Konzert im Rolf-Liebermann- Studio und anderen Aktivitäten. Auch Mitglieder der seit 2004 wieder existierenden Liberalen Jüdischen Gemeinde Hamburg nahmen daran teil. Es gäbe also reichlich Anlass, sich um die würdige Erhaltung der Tempelreste in der Poolstraße zu bemühen. Nicht nur liberale Juden in Hamburg und aller Welt würden es der Stadt danken - auch für die Hamburger selbst wäre es eine Bereicherung, dieses geschichtliche Erbe der Stadt zu bewahren.

Autor: VHSt

HBZ · 03/2018
 
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