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Aber Leben wollen sie, und das ohne Angst

Netanjahu ist nicht Israel

Tagtäglich erreichen uns aus dem Nahen Osten wenig hoffnungsvolle Nachrichten: Drohgebärden statt Friedensgesprächen. Und die Spirale dreht sich immer weiter. Eine Eskalation würde auch unser Leben verändern. Wolfgang Herder berichtet aus Israel - dem Heiligen Land, das seinem Namen zurzeit wenig Ehre macht.

In Israel gibt es vieles, was sich von den Gegebenheiten in Deutschland kaum unterscheidet. Zu den Besonderheiten aber gehört eine von der Gesellschaft uneingeschränkt mitgetragene Wehrpflicht, die gleichermassen für junge Frauen (21 Monate) und Männer (3 Jahre) gilt. Sie hat eine integrale, identitätsstiftende Funktion. Orthodoxe Juden und Araber mit israelischer Staatsangehörigkeit sind vom Dienst in der Armee befreit. Die Situation der jungen Leute dort ist nicht kompatibel mit dem freiwilligen und ehrenamtlichen Engagement von Gleichaltrigen in Deutschland. Die Wehrpflicht ist bei uns ausgesetzt - Frauen waren dazu nicht verpflichtet. Die Ableistung von Ersatzdiensten wird jetzt nicht mehr gefordert. Der Bundesfreiwilligendienst und das Freiwillige Soziale Jahr sind institutionalisierte Angebote und schliessen eine soziale Absicherung der Teilnehmenden mit ein.

Vor Ableistung ihres Militärdienstes können Jugendliche in Israel noch während ihrer Schulzeit ehrenamtlich tätig werden und in Jugendzentren, religiös bestimmten Gruppen oder innerhalb eines Kibbuz Verantwortung für die nachfolgenden Jahrgänge übernehmen. Ehrenamtlich tätig sind später auch Erwachsene, zum Beispiel in einer Anlaufstelle für Homosexuelle in Tel Aviv. Nicht nur Frauen, sondern jetzt auch Männer und streng Religiöse können Wehrersatzdienste in Krankenhäusern und in sozialen Diensten leisten.

Abgehoben wie Leuchttürme, ist das Bemühen um Integration junger Menschen, die im israelischen Kernland leben. Das betrifft alt eingesessene Araberfamilien, zugewanderte Russen und ebensolche Äthiopier gleichermassen. Zugleich wird die humanitäre Situation der Palästinenser im Gazastreifen und den besetzten Gebieten ausgeklammert. Sie werden als Bedrohung empfunden, ohne dass die politischen Zusammenhänge hinterfragt werden.

Gähnend leer gegen Abend die Flure der Jerusalemer Redaktion von Jediot Ahronoth. Das ist die mit Abstand grösste Zeitung in Israel. Sie erreicht in Prozenten gerechnet ein Vielfaches der Leserschaft der Tageszeitungen in Deutschland. Der Empfang ist noch besetzt und wie verabredet erscheint Gad Lior. Er ist hier in Jerusalem Chef der Tageszeitung, für die er seit nunmehr 33 Jahren arbeitet. Gelegentlich ist er Gast bei der ARD und oft aktuell angefragt bei Telefoninterviews.

Zu Beginn unseres Gesprächs eher aggressiv als überzeugend. Ein richtig harter Knochen: Wir wollen Frieden, aber bitte mit wem können wir Frieden schliessen? Frieden kann man nur mit Leuten machen, die ihn wirklich wollen. Der fundamentalistische, terroristische Islam gefährdet den Frieden der Welt. Der nächste Weltkrieg wird kommen. Aus dem Mund von Gad Lior klingt es nicht wie eine Forderung, sondern eher als Drohung, wenn er sagt: "Der Iran wird keine Atombombe haben." Was sollen Wirtschaftssanktionen, wenn China und Russland sie unterlaufen? Die türkischen Parolen gegen Israel meinen auch Europa, denn es geht hier um die Ölvorkommen auf Zypern. Wenn demnächst Assad und der König von Jordanien fallen werden, bedeutet das einen Sieg der Islamisten. Zu den revolutionären Ereignissen in den nordafrikanischen Ländern geht Lior auf Distanz. So ergäben sich durch sogenannte neue Demokratien auch neue Probleme. Die Moslembrüder in Ägypten seien ja noch akzeptabel, aber 20 Prozent für offensichtlich El Kaida nahe Gruppierungen eben nicht. Nein, einen Mubarak wollten sie denn auch nicht wieder. Dass in Ägypten und in Tunesien erstmals freie Wahlen stattfanden, deren Ergebnisse selbst von den unterlegenen Parteien nicht infrage gestellt werden, kann sein Weltbild nicht erschüttern.

So redet sich unser Freund in Rage. Zwischenfragen werden von ihm ignoriert. Hatte doch ein Kollege der einflussreichen Zeitung Haaretz wenige Tage zuvor, Israel in Bezug auf das Verhältnis zu den Palästinensern den Vorwurf der Apartheid gemacht. Und gefordert: "Wir brauchen die neuen Siedlungen wirklich nicht!" Dazu gibt Gad Lior keinen Kommentar ab, er hört noch nicht einmal zu. Aber selbst dieser mediale Sprecher aus einer eher konservativen Ecke macht sich Sorgen über einen Rechtsruck bei den kommenden Wahlen in seinem Land. Darüber, dass Netanjahu in einer Koalition auch künftig mit Gruppen verbandelt ist, die Frieden nicht wollen. Spricht offen von einer gefährliche Bedrohung.

Eine Beschwerde will Gad Lior dann doch noch loswerden. Es wurmt ihn, dass trotz einer fairen Zusammenarbeit mit den Kollegen vor Ort in Israel, viele Berichte gesendet und Texte in Deutschland veröffentlicht werden, die einseitig für die Palästinenser Partei ergreifen. Bei einem anschliessenden Essen in einer Nische der Jaffa Strasse stand dann koscher Kebab auf der Speisenkarte. Das versöhnte schliesslich die erhitzten Gemüter…

Aus deutscher Sicht ist bemerkenswert, dass in Israel eine ganze Reihe von öffentlichen Aufgaben an halbstaatliche Träger übertragen wurden, die direkt bezuschusst, sich zum Teil über Städtepartnerschaften (z.B. Haifa-Boston), Sponsoren und honorige Spender aus den USA refinanzieren. Im Sozialwesen betreuen Migranten vielfach ihre Landsleute, überwinden schnell die Sprachbarriere und haben zu den Klienten einen besseren Zugang als das angestammte Personal.

Autor: Wolfgang Herder
Fotos: Wolfgang Herder

HBZ · 03/2012
 
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