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Auszüge der Rede Dr. de Maizieres

Rede zur Zukunft des Öffentlichen Dienstes

Bundesinnenminister Dr. de Maizière hielt auf der dbb-Jahrestagung in Köln "Stets zu Diensten? - Der Staat im 21. Jahrhundert" eine viel beachtete Rede zur Zukunft des Öffentlichen Dienstes. Wegen der Aktualität veröffentlichen wir nachstehend einige Auszüge aus seiner Rede.

Wie sieht der Staat im 21. Jahrhundert aus?

Das Bundesministerium des Innern ist das grosse Bürgerministerium für Deutschland und als Bundesinnenminister muss ich mir Fragen zur Zukunft des öffentlichen Dienstes stellen. Ich bin massgeblich mit dafür verantwortlich, dass unsere Bürgerinnen und Bürger auf eine gute Verwaltung vertrauen dürfen. Wir reden hier über die Zukunft derer, die zugleich Staatsdiener und Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst sind; also über diejenigen, die sich tagtäglich den Bürgeranliegen widmen, die eingreifen, ordnen, regeln und vor allem helfen.

Und sie alle wollen zu Recht wissen: Wie sieht der Staat im 21. Jahrhundert aus?

Und deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass wir derzeit einen kraftvollen, selbstbestimmten und handlungsfähigen Staat erleben. Die Bürger unseres Staates vertrauen sich der Fachkompetenz und unbedingten Zuverlässigkeit der Staatsbediensteten doch zunehmend wieder an! Hinzu kommt: Unser Staat tritt heutzutage nicht mehr vornehmlich als Ordnungsstaat auf, sondern sorgt für das Dasein seiner Bürgerinnen und Bürger.

In diesem Sinne versteht sich auch die gesamte Bundesregierung. Diese Schutz-, Vorsorge- und Dienst-Leistungen zu erbringen, sind nach wie vor die ganz vorrangigen und vornehmen Aufgaben der Politik, der Staatsdiener und der Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Ich möchte vor diesem Hintergrund Ihren Blick richten auf einige Kernpunkte des Koalitionsvertrags, der genau dieses Staatsverständnis zum Ausdruck bringt, auf unseren künftigen Kurs im öffentlichen Dienst.

Ein starker öffentlicher Dienst ist ein wichtiger Standortfaktor für jeden Unternehmer und ein Stück Lebensqualität für jeden Bürger. Der öffentliche Dienst sichert den Erfolg des Standorts Deutschland. Ohne ihn wäre die Wirtschaftslage heute eine andere.

Trotz der guten Lage kann niemand grosse Sprünge erwarten: Deshalb knüpft die Koalition und ihr Vertrag auch an die Schuldenbremse an. Ab dem Haushaltsjahr 2016 müssen wir grundsätzlich ohne Nettoneuverschuldung auskommen.

Das Bundeskabinett wird - wie bisher - die Eckwerte des aufzustellenden Haushalts und einen Finanzplan verbindlich vorgeben. Nach diesem inzwischen bewährten "Top-Down-Verfahren" wird sich also der Gestaltungsraum der Politik bemessen. So wollen wir garantieren, dass wir keine Massnahmen zu Lasten nachfolgender Generationen beschliessen.

Auch für den "Staat im 21. Jahrhundert" gilt: Diese Verantwortung obliegt nicht nur dem Bund, sondern auch den Ländern, die ab 2020 keine neuen Schulden aufnehmen dürfen. Die Frage ist, wie wir ihnen - neben den zahlreichen Erleichterungen, die der Bund ihnen bereits zusätzlich gewährt hat - weiter helfen können, damit alle diese Vorgaben erfüllen können.

Gleichzeitig steht Ende 2019 eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen an. Der Solidarpakt läuft aus. Deshalb haben wir uns darauf verständigt, diese Themen in einer Kommission von Bund und Ländern zu behandeln. Diese soll bis Mitte der Legislaturperiode Ergebnisse vorlegen. Voraussetzung für den Erfolg dieser Kommission ist, dass wir das Gesamtgeflecht nicht bereits im Vorfeld in seine Einzelteile zerlegen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit einer soliden Finanzgrundlage, der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und einer umfassenden demografischen und digitalen Agenda auch dem öffentlichen Dienst in seiner heutigen Struktur Rückenwind geben.

Und doch gibt es die Stimmen, die für den öffentlichen Dienst einen "Kurswechsel" fordern, um die angebliche Verdrossenheit seiner Staatsdiener wegen der "Politik nach Kassenlage" abzuwenden.

Und es gibt andere Stimmen, die dafür plädieren, über unsere Systeme und Strukturen nachzudenken, weil die Kosten für den öffentlichen Dienst zu hoch seien.

Die vielen Reform-Vorschläge fangen an bei der Abschaffung des Berufsbeamtentums, reichen über den Wunsch nach Neustrukturierung der sozialen Sicherungssysteme für Beamte bis hin zur Rückabwicklung der Föderalismusreform zum Dienstrecht.

Nun wird mancher von dem Koalitionsvertrag enttäuscht sein, andere sind vielleicht erleichtert: Im Vertrag ist kein politischer Auftrag enthalten, die Beamtenversorgung als Sondersystem aufzugeben und in das System der Gesetzlichen Rentenversicherung zu integrieren. Ausserdem bekennt sich die Koalition zum Berufsbeamtentum, das als Garant für eine leistungsfähige und unabhängige Verwaltung ausdrücklich anerkannt wird. Und schliesslich ist auch die Rückabwicklung der Föderalismusreform nicht vorgesehen.

Welche Ziele sollten wir für den öffentlichen Dienst verfolgen?

  • Den öffentlichen Dienst für die Handlungsfähigkeit des Staats stärken
  • Faire und gerechte Bezahlsysteme bereitstellen
  • Die Fachkräftebasis im öffentlichen Dienst sichern
  • Gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland erhalten

Das erste Ziel macht deutlich, worum es eigentlich geht: Nicht um das rein monetäre Abwägen für und gegen das Berufsbeamtentum und seine Sicherungssysteme. Argumentieren wir besser vom Ziel her: Es geht um die Frage, welche Rahmenbedingungen im öffentlichen Dienst die Handlungsfähigkeit des Staates eher vergrössern und welche sie eher verkleinern?

Es gibt die Befürworter für ein einheitliches Dienstrecht auf privatrechtlicher Grundlage. Denen widerspreche ich ausdrücklich - ich sagte es bereits: Die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes ist nicht ohne die beiden Statusgruppen Tarifbeschäftigte und Beamte denkbar. Das ist die Basis, die uns politisch flexible Handlungsspielräume gibt.

Ich sage aber auch, dass wir uns näher mit den Argumenten befassen müssen, die daran Zweifel aufkommen lassen. Die Zweifel heissen kurz gefasst: "Überverbeamtungen" und zu hohe Besoldungs- und Versorgungslasten.

Der wichtigste Schritt, den wir als Verantwortliche hier gehen müssen, um das Berufsbeamtentum zu stärken, ist: Plausibilitäten schaffen! Das heisst, nach aussen nachvollziehbar begründen und belegen, wo, an welchen Stellen der Verwaltung und in welchen Funktionen wir Beamte einsetzen und wo nicht.

Bedarf besteht für beide Statusgruppen, das belegen die Zahlen: So sind von den rund 4,5 Millionen Beschäftigen im Öffentlichen Dienst rund 60 Prozent Tarifbeschäftigte und knapp 40 Prozent Beamte. In der Bundesverwaltung sind rund die Hälfte Tarifbeschäftigte. Beamte und Soldaten machen jeweils ein Viertel aus. Und - das wissen Sie alle hier aus Erfahrung - die Dienstherren und Personaler sind froh um beide Möglichkeiten.

Aber nur wenn es gelingt, die Konturen des Berufsbeamtentums deutlich zu schärfen, kann der hohe Wert der beamtenrechtlichen Attribute auch erhalten werden. Vergessen wir nicht: Diese Attribute schützen die Bürgerinnen und Bürger vor unlauteren Einflussnahmen und Interessenkollisionen.

Aber es sind nicht allein funktionsbezogene Kriterien, die über den Status entscheiden. Oft treten daneben noch personalwirtschaftliche und haushaltsrechtliche Erwägungen, oft entscheidet allein die Frage nach der angeblich höheren Kostenbelastung über den Status. Das sollte nicht ausschlaggebend sein. Wichtig ist, dass man für die Zukunft finanziell entsprechend Vorsorge getroffen hat. Im Bund haben wir das mit den Sondervermögen für die Versorgung getan.

Weil die verschiedenen Motive zu einer unterschiedlichen Verbeamtungspraxis in den einzelnen Berufsgruppen führen, zeigen sich inzwischen doch gewisse Unschärfen in den Konturen der Statusgruppen - das gilt nicht nur für die Berufsgruppe der Lehrerinnen und Lehrer.

Damit will ich nun nicht den Vertretern das Wort reden, die glauben, dass wir die Beamten allein auf Funktionen mit rein hoheitlicher Tätigkeit beschränken und ausschliesslich in Bereichen der Eingriffsverwaltung verbeamten sollten.

Aber gerade die europäischen Einflüsse auf den öffentlichen Dienst werfen grundlegende Fragen auf. Ob im Urlaubsrecht, bei der Arbeitszeit oder bei der Besoldung: Europarechtliche Vorgaben haben auch und vor allem durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits wesentliche Teile des Tarifund Beamtenrechts durchdrungen und geprägt und werden es wohl weiter tun.

Wir sind Teil der europäischen Rechtsordnung und respektieren die zur Entscheidung berufenen Stellen und Gerichte. Umgekehrt stellt es für mich allerdings auch ein Gebot der Klugheit dar, bei der Auslegung von Generalklauseln den Entscheidungsspielraum des nationalen Gesetzgebers nicht unnötig und mit fragwürdigen Ergebnissen zu beschränken.

So muss es meines Erachtens bei der Anpassung des nationalen Rechts an Richtlinienvorgaben jedenfalls möglich sein, den Übergang vom alten in neues Recht praktikabel und unter Wahrung der Interessen aller Betroffenen zu gestalten. Auch Kernbereiche wie das Streikverbot, hier mit Beteiligung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, sind mittlerweile betroffen. Gerade darin verbirgt sich ein gehöriger Sprengsatz.

Sie wissen, dass ich auch das so sehe. Sollte das Streikverbot fallen, ist zu befürchten, dass unser Selbstverständnis vom Berufsbeamtentum destabilisiert wird. Umso wichtiger ist es, zu wissen und zu begründen, für welche staatlichen Aufgaben und Funktionen wir das Berufsbeamtentum - auch aus unserer Geschichte heraus - als Mitgliedsstaat der EU verteidigen wollen. Die Verantwortlichen, die ich hier in der Pflicht sehe, rational zu agieren und die sich für den Erhalt beider Statusgruppen anstrengen müssen, sind 17 Dienstherren und Gesetzgeber!

Es gibt gute Gründe für die Strukturen im öffentlichen Dienst, die wir im Koalitionsvertrag daher auch nicht angetastet haben. Da, wo wir an kritischen Stellen nachjustieren können, schaffen wir das auch ohne Eingriffe in die Strukturen im öffentlichen Dienst. Damit sichern wir die Handlungsfähigkeit des Staates effizient.

Natürlich brauchen wir auch in Zukunft gerechte und faire Bezahlsysteme, schon um uns attraktiv für Nachwuchskräfte zu halten.

Aber was ist fair und gerecht in der Bezahlung des öffentlichen Dienstes? Für die Tarifbeschäftigten handeln wir das mit den Gewerkschaften aus. Die Steigerung in der letzten Lohnrunde im Jahr 2012 war mit 6,3 Prozent erheblich. In diesem März werden wir das in der Lohnrunde wieder gemeinsam verantwortungsvoll am Verhandlungstisch lösen.

Egal für wie prekär man die Probleme nun hält, alle Ansichten kommen aber zu dem gemeinsamen Schluss: Die demografische Entwicklung zwingt uns dazu, sich rechtzeitig um den Wissensnachschub in den Verwaltungen zu kümmern. Dazu gehören eine aufgabengerechte und eine Demografie vorsorgende Stellenund Personalpolitik, die auf passgenauen Personalbedarfsanalysen aufbaut. Das haben wir bewusst so im Koalitionsvertrag verankert. Und eine Imagepflege nach aussen, die die Alleinstellungsmerkmale der öffentlichen Arbeitgeber positiv nach aussen vermittelt.

Der Minister

Geboren wurde Thomas de Maizière am 21. Januar 1954 in Bonn. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

  • Nach dem Abitur leistete er seinen Wehrdienst beim Panzergrenadierbataillon 142 in Koblenz ab. Er ist Oberleutnant der Reserve.
  • Von 1974 bis 1979 studierte de Maizière Rechtswissenschaften und Geschichte in Münster und Freiburg. Nach seinem Referendarexamen folgte 1982 das Assessorexamen. 1986 promovierte er zum Dr. jur. an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
  • 1983 war er Mitarbeiter der Regierenden Bürgermeister von Berlin, Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen. 1985 bis 1989 leitete er das Grundsatzreferat der Senatskanzlei des Landes Berlin. Er war Pressesprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.
  • 1990 war de Maizière am Aufbau des Amtes des Ministerpräsidenten der letzten DDR-Regierung mit beteiligt. Er war dann Mitglied der Verhandlungsdelegation für den Einigungsvertrag.
  • 1990 bis 1994 war er Staatssekretär im Kultusministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Von 1994 bis 1998 war er Chef der Staatskanzlei in Mecklenburg-Vorpommern. 1999 war er Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei.
  • 2001 bis 2002 bekleidete er das Amt des Staatsministers der Finanzen in Sachsen.
  • 2002 bis 2004 war er Staatsminister der Justiz in Sachsen und 2004 bis 2005 Staatsminister des Innern in Sachsen.
  • Von 2004 bis November 2005 war er Mitglied im Sächsischen Landtag und bis Oktober 2009 Bundesminister und Chef des Bundeskanzleramtes. Ebenfalls im Oktober 2009 wurde de Maizière als direkt gewählter Abgeordneter in den Deutschen Bundestag gewählt. Vom 28. Oktober 2009 bis 3. März 2011 war de Maizière Bundesminister des Innern.
  • Vom 3. März 2011 bis Dezember 2013 war Thomas de Maizière Bundesminister der Verteidigung.
  • Am 17. Dezember 2013 wurde er erneut zum Bundesminister des Innern ernannt.


Autor: VHSt
Fotos: BPA

HBZ · 02/2014
 
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