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Zwei Jahre Elbphilharmonie

Was lange währt, wird schließlich Hamburg


Vor zwei Jahren, am 11. Januar 2017, öffnete die Elbphilharmonie ihre Türen. Manche lieben sie, andere hassen sie noch immer - an ihr vorbei kommt keiner.

Mit der Eröffnung fanden fünfzehn Jahre umstrittener Planungen, scheinbar endlose Verzögerungen und eine schier unfassbare Kostenexplosion ein Ende. Während der Bauphase schien es lange unklar, ob das Wagnis, einen Konzertsaal auf einem ehemaligen Kaispeicher mitten in der Elbe zu bauen, aufgehen würde. Die technischen Schwierigkeiten waren mitverantwortlich dafür, dass sich die Eröffnung um Jahre verzögerte und aus anvisierten 70 Millionen Euro Kosten über 850 Millionen wurden.

Nun aber steht das Ergebnis als eines der architektonischen Wahrzeichen Hamburgs fest verankert im Hafen, als wäre es schon immer da gewesen, und zieht die Besuchermassen an. Die Elbphilharmonie hat sich ihren festen Platz erobert, im Hamburger Stadtbild und in der Kulturszene der Stadt. Rund 850.000 Gäste besuchten im ersten Jahr - für das zweite liegen noch keine Zahlen vor - über 600 Konzerte unterschiedlichster Ausrichtung. Und 4,5 Millionen fanden ihren Weg auf die Plaza. Gegen einen derartigen Erfolg lässt sich schwer argumentieren. Wie viele andere stand ich dem Projekt lange Zeit sehr kritisch gegenüber. Inzwischen aber gehört die Elbphilharmonie für mich zu Hamburg wie Alster, Stadtpark, Michel und Millerntor - auch wenn einige Vorbehalte bleiben. Zeit für ein Resümee.

Architektur mit internationalem Anspruch

Die Elbhilharmonie kommt ohne Zweifel spektakulär daher. Was während der Bauzeit durch die abgeklebten Fenster zeitweise wirkte wie ein blinder Fleck im Hafen, strahlt inzwischen im vollen Glanze eines großen Wurfs. Denn einen solchen stellt die Kombination aus der denkmalgeschützten Fassade des ehemaligen Kaispeichers und dem modernen Bau mit der geschwungenen Glasfassade darüber ohne Zweifel dar. Man kann sich zwar berechtigt darüber streiten, ob so ein 110 Meter hohes, protziges Statement zum althergebrachten hamburgischen Understatement passt. Doch vielleicht verbinden sich darin Tradition, Gegenwart und Zukunft Hamburgs auch in ihrer Widersprüchlichkeit besser, als viele anfangs dachten.

Über diese Frage lässt sich auf der langen Fahrt über die geschwungene Rolltreppe in den eigentlichen Eingangsbereich trefflich nachdenken. Mit ihrer Hilfe gelang den Architekten das Kunststück, den Besucher einerseits zu entschleunigen, andererseits aber zugleich Spannung und Vorfreude auf das bevorstehende Erlebnis aufzubauen. Mit den unsymmetrischen Treppen und der verschlungenen Besucherführung im Inneren werde ich persönlich allerdings bis heute nicht warm. Dafür sind viele andere Details liebevoll gemacht: die silberfarbenen Hinweisschilder aus Metall, die im Holzboden eingelassen sind, oder die mundgeblasenen gläsernen Lampen, die die Foyers und Ränge beleuchten. Im Zuschauerraum schließlich sieht es so aus, als hätte jemand Glasperlen an die Decke geworfen. Und die Polstersitze mit ihren schwarz-weiß melierten, robusten Bezügen sehen nicht nur so aus, als kämen sie geradewegs vom Möbeldesigner, sondern sind dabei auch noch so bequem, dass man gar nicht mehr aufstehen mag.

Der Große Saal im Zentrum wirkt sehr leicht und filigran, obwohl auch hier Asymmetrie das beherrschende Element ist. Keiner der Ränge, die in geschwungenen Linien wie Bienenwaben um das Podium herum kleben, gleicht dem anderen. Und doch gelingt ihrer Gesamtheit eine harmonische Wirkung, die den Besucher in angenehmer Weise empfängt. Wenn nur die Farbgebung eine andere wäre … Aber auch das ist vielleicht eine Frage des persönlichen Geschmacks, die in dem Moment, in dem man nach dem Konzert mit einer der kurzen Rolltreppen auf die Panoramaverglasung zufährt, nicht mehr ins Gewicht fällt: Wenn sich der Blick langsam in den Hafen und über die Stadt öffnet, verbinden sich Elbphilharmonie und Hamburg, als gehörten sie schon immer zueinander. Die Architektur ist also wirklich sehr gelungen und überzeugt auch im internationalen Vergleich mit anderen Konzerthäusern.


Ambivalente Akustik

Das Herz jeder Philharmonie jedoch ist die Akustik. Und gerade sie ist in Bezug auf die Elbphilharmonie umstritten. Das Design der Akustik ist aber bei jedem Saal dieser Größe eine heikle Angelegenheit, gewissermaßen eine Wette auf die Zukunft, bei der man das Beste hofft, aber nur bedingt weiß, was man am Ende bekommt. In der Bauphase war es fast unvorhersehbar, wie der Große Saal wohl letztlich klingen würde. Das begann bei ganz grundsätzlichen Fragen: Niemand konnte mit Bestimmtheit sagen, ob das auf Stahlfedern frei schwingende Konstrukt tatsächlich so nach außen abgeschottet sein würde, dass die Konzerte nicht gestört würden. Diese Sorge immerhin braucht sich heute niemand mehr zu machen - der Hafenlärm bleibt tatsächlich draußen.

Doch wie klingt das, was im Saal selbst passiert? Yasuhisa Toyota, einer der profiliertesten Akustiker unserer Zeit, entwarf für dessen Innenverkleidung spezielle Gipskacheln, jede ein von computergesteuerten Fräsen geformtes Unikat. Sie sollten den idealen Klang in den Saal bringen. Erst kurz vor der Eröffnung stellte sich Ende 2016 heraus, dass das Konzept wirklich funktionierte. Viele Kritiker waren begeistert, manche ernannten den Bau gar zur "Klangkathedrale". Die Elbphilharmonie gebe einem das Gefühl, mitten in einem CD-Spieler zu sitzen, so kristallklar sei ihr Klang. Das stimmt tatsächlich: Bis unters Dach ist jedes Instrument klar zu unterscheiden, in den leisesten Tönen ebenso wie den lautesten Tutti großer Orchester.

Diese differenzierte Akustik hat aber auch ihre Nachteile: Sie verzeiht nichts. Ein falscher Einsatz, ein falscher kleiner Ton - alles wird überall im Saal bemerkt, genauso wie jedes Husten, jedes Knistern von Bonbonpapier, ja sogar das Blättern im Programmheft. Darüber hinaus ist die Akustik der Elbphilharmonie nicht leicht zu bespielen. Sie liegt nicht jedem Orchester, nicht jedem Dirigenten. Einige Tage nach der Eröffnung durfte ich z. B. die Symphoniker Hamburg unter Sir Jeffrey Tate hören, die mit großem Chor Beethovens "Missa Solemnis" aufführten. Oben unterm Dach sitzend erwartete ich Großes - und verließ den Saal ernüchtert. An diesem Abend "schepperte" die "Kathedrale" wie ein sehr billiger, zu laut gedrehter CD-Spieler. Ein Problem, das die Elbphilharmonie bis heute gelegentlich hat, wenn die Höhen ihr zu hoch oder die Tiefen zu tief werden, während die Orchester in der Lautstärke aufdrehen. Drei Tage später jedoch hörte ein Freund das NDR Elbphilharmonie Orchester, das Joseph Haydns "Die Schöpfung" gab, dirigiert von Thomas Engelbrock, und am selben Tag die Wiener Philharmoniker, die unter Semyon Bychkov Mahlers Sinfonie Nr. 1 spielten. Auf praktisch denselben Plätzen war er begeistert davon, wie "unverschämt gut" die Akustik und der Klang von Orchester und Chor gewesen seien.


Zu guter Letzt ist Akustik wohl auch eine Frage des persönlichen Geschmacks und der Musik, die gespielt wird. Mir liegt der satte und weiche Klang der Berliner Philharmonie grundsätzlich deutlich mehr als die kühle, kristalline Klarheit der Elbphilharmonie, in der es insbesondere Werke der großen Klassiker - wie etwa der von mir besuchte Beethoven - oft schwer haben. Deren Kompositionen sind oft eher darauf angelegt, dass sich die einzelnen Stimmen eines großen Orchesters miteinander mischen, als darauf, jedem Instrument eine einzelne Stimme zu geben, wie es der Große Saal der Elbphilharmonie tut. Er eröffnet damit zwar neue Hörweisen dieser Werke, aber das Ergebnis gefällt nicht jedem.

Andererseits haben viele moderne Werke dafür die Chance, in einer besonderen Weise zur Geltung zu kommen. Hier kommen eben Mahler und Messiaen besser heraus als Brahms und Bruckner. Und auch, wenn das Ergebnis gelegentlich etwas fragwürdig ist - das neue Verhältnis, das die Elbphilharmonie zwischen musikalischen Haupt- und Nebenthemen, zwischen Solisten und Begleitung vielfach herstellt, ist durchaus interessant. Vor allem aber: Hamburg hat wieder einen Konzertsaal, in den auch international renommierte Dirigenten und Orchester gern kommen. Die wiederum oftmals besser mit der schwierigen Akustik zurechtkommen - womit sich der Kreis schließt. Sowieso: Wie eingangs erwähnt, ist Akustik immer eine heikle Angelegenheit - bis ein Saal diesbezüglich seinen Zenit erreicht, vergeht gern mal ein Jahrzehnt mit einigen Nachbesserungen.

Für jeden etwas dabei

Was mir an der Ausrichtung gefällt, die Intendant Christoph Lieben-Seutter dem Programm der Elbphilharmonie gegeben hat, ist dessen Vielfalt. Neben großer Klassik gibt es auch viel Jazz - das Avishai Cohen Trio etwa gab im September 2018 ein großartiges Konzert, obwohl kurzfristig der Schlagzeuger ausfiel und ersetzt werden musste -, Pop und … Kinderkonzerte. Womit wir zu einem Aspekt kommen, der der Elbphilharmonie oft zu Unrecht vorgeworfen wurde. Hier wird nicht nur - wie von Kritikern erwartet - Hochkultur für die Elite geboten. Vielmehr wird eine sehr breite Vielfalt an Geschmäckern, Neigungen und Niveaus bedient.

Die Gelegenheit etwa, meine Tochter im Grundschulalter auf kindgerechte Weise an anspruchsvolle Musik heranzuführen, rechne ich den Machern hoch an. Dabei lernte ich auch den Kleinen Saal kennen und schätzen. Ein sehr schöner, schlichter Saal mit einer warmen Atmosphäre. Und während die Akustik im Großen Saal umstritten bleibt, habe ich über den Kleinen Saal noch von niemandem etwas Negatives gehört. Insbesondere kammermusikalische Werke klingen hier warm und voll ans Ohr des Besuchers - ein wahrer Genuss. Ein weiterer Vorteil des Kleinen Saales: Hier nimmt der Hype allmählich ab und es ist (etwas) leichter, an Karten zu kommen. Und wenn es Ihnen bei den großen Namen weiterhin schwerfallen sollte, Tickets zu ergattern, probieren Sie doch einfach mal eines der Kinderkonzerte, gegebenenfalls mit etwas Vorlauf. Ihre Enkel werden es Ihnen danken - und auch Sie selbst werden es sicher nicht bereuen.

Fotos: Elbphilharmonie © Ralph Larmann, Maxim Schulz, Thies Raetzke, Todd Rosenberg, Jann Wilken, Claudia Hoehne, Iwan Baan, Michael Zapf


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Autor: Arne Offermanns

HBZ · 01/2019
 
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