
Erinnerungen und Gedanken zum Kriegsende
Zeitzeuge Wilhelm Simonsohn
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Wilhelm Simonsohn in seiner Wohnung in Bahrenfeld |
In der diesjährigen Januar-HBZ haben wir Ihnen unser langjähriges Vereinsmitglied und Mitglied der Stadtteilgruppe Altona, Wilhelm Simonsohn, bereits vorgestellt.
Der rüstige Hundertjährige engagiert sich als Zeitzeuge und wurde im vergangenen Jahr für seinen Einsatz und sein Engagement für die Demokratie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er hat, wie einige andere unserer Mitglieder, den Tag des Endes des Zweiten Weltkriegs erlebt. Wilhelm Simonsohn war anlässlich des 75. Jahrestages der bedingungslosen Kapitulation so nett und hat seine persönlichen Erinnerungen und Gedanken an diesen geschichtsträchtigen Tag mit uns geteilt.
75 Jahre Frieden
Der 8. Mai 1945 war für mich zugleich das Ende der Zeit, in der ich in der Zwangsjacke eines Soldaten der Deutschen Wehrmacht steckte.
Diese Zeitspanne umfasste bei mir (einschließlich RAD) rund sieben Jahre meines jungen Lebens in einem Alter von etwa 18 bis 25 Jahren. Dieser 8. Mai war für mich verbunden mit einem Gefühl der Erleichterung, dass nunmehr das Morden ein Ende gefunden hatte. Die Bilanz dieses Krieges waren etwa 55 Millionen tote Menschen. Dass in dieser kriegerischen Zeit so viele Menschen sterben mussten, war und ist in der deutschen Geschichte ein einsamer "Rekord". Diesen "Rekord" als einen "Vogelschiss" zu bezeichnen, ist eine Verniedlichung der Fakten, die für mich außerhalb einer normalen Denkweise angesehen werden muss.
Mein Soldatenschicksal war nach den Erlebnissen des Polenfeldzuges September 1939 (zerstörtes Warschau, ca. zwanzigtausend Tote) dadurch geprägt, dass ich mir geschworen hatte, niemals Bomben auf menschliche Siedlungen abzuwerfen. Ich konnte diese Absicht persönlich dadurch verwirklichen, dass ich mich nach einer mehrjährigen Pilotenausbildung für die Nachtjagd entscheiden konnte, mit der rückblickend naiven Vorstellung, ich könnte dazu beitragen, die Briten daran zu hindern, unsere Städte vorwiegend nachts durch Bombenangriffe zu zerstören, wobei Frauen, Kinder und alte Menschen überproportional ihr Leben lassen mussten. Die Männer waren ja vorwiegend an den überdehnten Fronten eingesetzt.
Wilhelm Simonsohn in seiner Wohnung in Bahrenfeld
Dass dieser Zweite Weltkrieg im Grunde genommen eine Fortsetzung des Ersten Weltkriegs war, hat vor dem Hintergrund des Versailler Vertrages der Schriftsteller Kurt Tucholsky, der versucht hatte, Hitler mit der Schreibmaschine zu bekämpfen, bereits 1919 (!) in einem längeren Gedicht festgestellt. Zwei Zeilen dieses Gedichts lauten:
» […] Und nach abermals zwanzig Jahren kommen neue Kanonen gefahren. […]«
"Krieg dem Kriege", Kurt Tucholsky, 1890-1935
(Anmerk. d. Redaktion)
Er hat ferner einmal postuliert, dass auf den Soldatengräbern nicht stehen dürfe, sie seien für das Vaterland gefallen, sondern durch das Vaterland. Meine wesentliche Aufgabe als Zeitzeuge sehe ich darin, jungen Menschen ins Bewusstsein zu rufen, wie wertvoll es ist, seit dem 8. Mai 1945 dank der politischen Konstellation in dieser Zeit auf eine so lange Friedensperiode mit unseren Nachbarn zurückblicken zu können.
» Der Friede ist das Meisterwerk der Vernunft. «
Immanuel Kant (1724-1804)
Auf diesem historischen Bild sehen wir die Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation der nationalsozialistischen deutschen Wehrmacht um 23:01 Uhr am 8. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst. Als Vertreter des Oberkommandos der Roten Armee unterzeichnet der Marschall der Sowjetunion G. K. Shukow die Kapitulationsurkunde, links daneben der stellvertretende sowjetische Außenminister A. J. Wyschinskij, rechts der Armeegeneral W. D. Sokolowski. Das Datum markiert zugleich die Befreiung vom Nationalsozialismus. Die Unterzeichnung fand im nach der Schlacht um Berlin bezogenen Hauptquartier der sowjetischen Streitkräfte statt, in dem sich heute das Deutsch- Russische Museum befindet, das wir Ihnen auf der nächsten Seite vorstellen.
Autor: VHSt
Fotos: Samira Aikas (Foto von Wilhelm Simonsohn) / Berlin-Karlshorst, deutsche Kapitulation: Bild 183-R83900, Bundesarchiv
HBZ · 05/2020
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