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Slawen in Norddeutschland

Vom Schicksal der Obodriten

Flechthaus, das durch Lehm abgedichtet wurde, aus der Ausstellung des Museum des Kreises Plön
Flechthaus, das durch Lehm abgedichtet wurde, aus der Ausstellung des Museum des Kreises Plön

Wer auf einem Landausflug im östlichen Holstein unterwegs ist, dem ist bestimmt schon aufgefallen, dass die Ortsnamen dort nicht dem üblichen Klangmuster entsprechen.

Kein -dorf, kein -büttel, kein -horst. Stattdessen Namen, die auf -itz, -ow oder auch -in enden. Kittlitz, Dargow, Mustin zum Beispiel. Der Vergleich mit Ortsnamen noch weiter östlich, in Polen oder auch Russland, ergibt eine Übereinstimmung. Tatsächlich wohnten hier wie dort Slawen, von deren Anwesenheit in Schleswig-Holstein heutzutage nicht viel mehr als eben die Ortsnamen zeugen. Grund genug, der Sache auf den Grund zu gehen.

Über Oder und Elbe an die Ostsee

Als Nachzügler der Völkerwanderung hatten die Angeln und Sachsen ihre Heimat in Schleswig Holstein verlassen und waren nach England gesegelt, das 410 n. Chr. von den Römern aufgegeben worden war, die größere Sorgen hatten, als das neblige Britannien zu bewachen. Schon vorher hatten die Wandalen ihre Siedlungsgebiete zwischen Elbe und Oder verlassen. Sie schafften es bis Rom, wo sie ihren schlechten Ruf erwarben. Das nunmehr menschenleere Gebiet wurde im Laufe dreier Jahrhunderte von Slawen besiedelt.

Die Ergebnisse dendrochronologischer Untersuchungen von Bauholz aus Brunnen zeigen Wanderungsbewegungen entlang der Oder sowie der Elbe nach Norden. Über Jahrhunderte hinweg kamen sie in kleinen Gruppen ohne jeden Wanderplan, weshalb angenommen werden kann, dass eher zunehmende Bevölkerungsdichte als Feindberührung sie in die Ferne trieb. Um 600 n. Chr. erreichten sie die Ostsee. Hier, im Nordwesten ihres Siedlungsgebietes, bildete sich der obodritische Stammesverband, der seine Eigenständigkeit bis ins 12. Jahrhundert behauptete.

Geschickte Schiffsbauer

Die Obodriten, auch Abodriten genannt, siedelten stets am Wasser, um überhaupt irgendwohin zu gelangen, denn sie waren Pioniere, mussten zurechtkommen in ungezähmt wegloser Wildnis aus Eichen, Buchen, Birken. Weiter südlich und östlich war die Bevölkerungsdichte hoch, im heutigen Schleswig-Holstein besiedelten sie nur kleine, voneinander getrennte Gebiete. Dörfer wie Felder der Neusiedler hatten keine Zäune, was dafür spricht, dass je eine Familie eine Dorfgemeinschaft bildete. Ihre Häuser waren Blockhäuser, deren Wände aus Zweigen geflochten und mit Lehm verputzt wurden. Um ein einfaches Boot zu bauen, spalteten sie einen Holzstamm mittels Keilen, höhlten ihn aus und hatten schließlich einen leichten wendigen Einbaum mit geringem Tiefgang bei einer Wandstärke von nur zwei Zentimetern. Sie konnten jedoch auch aufwendigere Schiffe bauen, die denen der Wikinger in nichts nachstanden. Ihre Keramik bestand anfangs aus grobkörnigem Ton ohne Drehscheibe zusammengebacken, unglasiert, dickwandig, zunächst noch sparsam dekoriert, später aufwendiger.

Ringwall der Obodriten am Oldenburg-See bei Lehmrade/Herzogtum Lauenburg, (c) Foto: Olaf Witt
Ringwall der Obodriten am Oldenburg-See bei Lehmrade/Herzogtum Lauenburg, (c) Foto: Olaf Witt

Fischer, Jäger, Bauern und ihre Götter

Die ersten Siedler ernährten sich von Fisch und selbst gejagtem Wild. Einmal sesshaft geworden, wurden jedoch Ackerbau und Viehzucht ihre hauptsächlichen Nahrungsquellen. Mangels Schrift wurde nur von Dritten über sie geschrieben, sie selbst hinterließen keine schriftlichen Zeugnisse. Geld oder Schmuck besaßen sie in der frühen Phase nicht. Verstorbene Familienmitglieder verbrannten sie und verstreuten die Asche. Mit ihren Göttern gingen sie knauserig um: Als Abbilder genügten ihnen hölzerne Figuren, heilige Haine ersetzten ihnen die Kirche. Ein eigener Priesterstand mit Tempel, Statue und Liturgie organisierte sich erst spät unter Druck der christlichen Missionierung.

Christianisierung, Plünderungen und Abgaben

Man schrieb das Jahr 804. Das Heer Karls des Großen hatte 30 Jahre lang das Volk der Sachsen massakriert, bis ihr König zustimmte, sich taufen zu lassen. Schon zuvor waren sich Slawen und Franken begegnet - mal als Gegner, mal als Verbündete gegen die Sachsen. Jetzt waren die Sachsen Christen und wollten ihre heidnischen Nachbarn für Jesus und den Fortschritt gewinnen. Das hätten sich die Obodriten wohl noch gefallen lassen. Damit einher ging jedoch, dass vor der Taufe regelmäßig ihre Dörfer geplündert und abgefackelt wurden. Außerdem sollten sie als Christen dem Frankenkaiser Steuern zahlen, denn mit der Gründung Hamburgs wurde 831 ein Bistum eingerichtet, das die Gebiete der Obodriten einschloss, sie also nominell der Frankenherrschaft unterstellte. Die "Wenden" (d. h. die Anderen), wie sie von ihren germanischen Nachbarn genannt wurden, mussten nur noch missioniert werden.

Gegenwehr war zunächst schwierig, waren doch ihre Waffen denen der Franken unterlegen. Eisen pflegte der Dorfschmied in schlechter Qualität aus sogenanntem Rasenerz herzustellen, während die Franken Schwerter in Serie schmiedeten. Die Obodriten nutzten ihre Handelsbeziehungen zu den Wikingern zum Waffenkauf und konnten sich erfolgreich zur Wehr setzen, sodass Sachsen und Franken auf gewaltsame Missionierungsversuche erst einmal verzichteten.

300 Jahre lang bis zur Niederlage der Sachsen gegen Karl den Großen hatten die Obodriten weitgehend unbehelligt in Siedlungen gelebt, deren Bewohner bei Gefahr Schutz in Ringwällen fanden, den in ganz Nordeuropa üblichen Verteidigungsanlagen. Mit wachsender Bevölkerungszahl entstanden erste Handelszentren wie Rerik an der Ostsee oder auch Alt-Lübeck an der Mündung der Schwartau in die Trave. Wer die Handelszentren beherrschte, wurde bald Fürst eines Territoriums. Ab jetzt gab es auch ausgrabungswürdige Fürstengräber. Von den Häfen aus wurde vor allem mit den Wikingern gehandelt. Als der dänische König Harald Blauzahn 986 vor seinem Sohn fliehen musste, soll er Zuflucht bei einem slawischen Fürsten in Pommern gefunden haben.

Funde aus der Ausgrabung Olsborg: Keramiken und Kammfragmente der Obodriten aus der Ausstellung im Museum des Kreises Plön
Funde aus der Ausgrabung Olsborg: Keramiken und Kammfragmente der Obodriten aus der Ausstellung im Museum des Kreises Plön

Der Untergang der Obodriten

Um 1000 n. Chr. war die Bevölkerung im Westen angewachsen, der Besiedlungsdruck auf das Gebiet der Obodriten nahm zu. Religion war den Landesherren im Westen nur noch Vorwand, ihr Herrschaftsgebiet zu vergrößern. Dennoch behaupteten die Westslawen in einem geografisch schwierigen Gebiet für Jahrhunderte ihre Unabhängigkeit.

Jetzt wurde eine Grenze festgelegt: Der Limes Saxoniae, über dessen Existenz derzeit in Fachkreisen diskutiert wird, soll sich damals diagonal von der Kieler Bucht bis an die Elbe bei Geesthacht gezogen haben. Er wurde unter Karl dem Großen um 809 festgelegt, jedoch erst deutlich später von Adam von Bremen in seiner Hamburger Kirchengeschichte um 1075 dokumentiert. Er soll aus einem viele Kilometer breiten Streifen Sumpf und Wald, der jedoch leicht zu überwinden war, bestanden haben.

Perspektive vom Ringwall am Oldenburg-See aus

Es konnte losgehen, jeder führte Krieg gegen jeden. 983 eroberten die Obodriten Hamburg und brannten die Stadt ab. Meißen wurde mitten im Slawenland gegründet, um die Bevölkerung der Umgebung zu drangsalieren. 1157 ergaben sich die slawischen Verteidiger der Brandenburg dem Herzog Albrecht dem Bären, womit das letzte Territorium heidnischer Slawen zu bestehen aufhörte. Sofort verbot der neue Landesherr in seinem Herrschaftsgebiet, der neugegründeten Mark Brandenburg, slawische Religionsausübung und Sprache. Seine Untertanen wurden Menschen zweiter Klasse, wenn sie sich nicht anpassten. Nach wenigen Generationen war ihre Sprache ausgestorben, sodass Orts- oder auch Flussnamen die einzigen sprachlichen Relikte sind, die an unsere Vorfahren erinnern. Berlin beispielsweise bedeutet "Dorf im Sumpf". Zum Trost der Berliner: Paris heißt in der Sprache der Kelten ebenfalls "Dorf im Sumpf".

Quellen: Museum des Kreises Plön; Wallmuseum Oldenburg in Holstein, MDR-Geschichte: www.mdr.de/tv/programm/sendung891116.html; "Chronica Slavorum", Helmold von Bosau, de.wikipedia.org/wiki/Chronica_Slavorum; Archaeologie-online.de; Archäologische Freilichtmuseum Groß Raden; Heimatmuseum Dissen, Freilichtbereich "Stary lud"

Fotos: Ringwall: Olaf Witt, alle weiteren Fotos aus der Ausstellung des Museums des Kreises Plön, © Museum des Kreises Plön

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Autor: Olaf Witt

HBZ · 03/2021
 
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