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Im Interview: Senator Dr. Carsten Brosda

Kultur als Grundlage unseres Zusammenlebens

Fotos: Senator  Dr. Carsten Brosda in der Elbphilharmonie (c) Hernandez für die Behörde für Kultur und Medien
Fotos: Senator Dr. Carsten Brosda in der Elbphilharmonie (c) Hernandez für die Behörde für Kultur und Medien

Es ist eine spannende Zeit für ein Gespräch mit unserem Kultursenator, denn viele sehen ihn in einer Regierung Scholz als Nachfolger von Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Dazu äußert sich Dr. Carsten Brosda aber derzeit nicht. Vielmehr freut er sich darüber, dass die Hamburger Kulturszene langsam wieder auflebt.

Seit September haben Dr. Carsten Brosda und sein Team nach monatelanger Pandemieabstinenz wieder einen vollen Terminkalender mit Preisverleihungen, Ehrungen, Eröffnungen und vielem mehr. Für die HBZ nahm er sich trotzdem Zeit.

Vom Journalisten zum Senator

Kultursenator Dr. Carsten Brosda wurde 1974 in Gelsenkirchen geboren, ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist Autor mehrerer Bücher. Seine Laufbahn begann in Nordrhein-Westfalen, wo er an der Universität Dortmund Journalistik und Politikwissenschaften studierte. Zeitgleich absolvierte er ein Zeitungsvolontariat bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), bei der er auch als Redakteur tätig war. In Berlin war er zunächst Pressereferent des SPD-Parteivorstands, danach stellvertretender Leiter des Leitungs- und Planungsstabes im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. 2007 promovierte er zum Thema "Diskursiver Journalismus", wofür ihm der Dissertationspreis der Universität Dortmund verliehen wurde.

Nach einer Position als Abteilungsleiter beim SPD-Parteivorstand führte ihn sein Weg nach Hamburg, wo er zunächst als Amtsleiter für Medien in der Senatskanzlei und später als Bevollmächtigter des Senats für Medien tätig war. Im Jahr 2016 wurde er Staatsrat der Kulturbehörde und der Senatskanzlei für Medien und Digitales. Als die damalige Kultursenatorin Barbara Kisseler schwer an Krebs erkrankte und ihr Amt nicht mehr ausüben konnte - sie verstarb einige Monate später -, übernahm Dr. Carsten Brosda zunächst kommissarisch. Im Februar 2017 wurde er neuer Kultursenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Zudem ist Brosda Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie und Co-Vorsitzender der Medien- und Netzpolitischen Kommission des SPD-Parteivorstands sowie Präsident des Deutschen Bühnenvereins.

"Kultur erfüllt keine Funktion, sondern ist das Fundament unserer Gesellschaft."

Härteprobe für das kulturelle Leben

Seit fast sechs Jahren leitet Dr. Carsten Brosda nun als Senator für Kultur und Medien die kulturellen Geschicke der Hansestadt. Die letzten beiden Jahre waren hart für die Kultureinrichtungen und Kulturschaffenden. Senator Brosda setzte sich sehr dafür ein, dass alle die schwierige Pandemiezeit u. a. durch Förderungen und Schutzschirme sowie eine von ihm organisierte Art Grundsicherung für Künstlerinnen und Künstler so gut wie möglich überstanden. Über die Herausforderung durch die Pandemie schrieb er auch seinen neuesten Essay "Ausnahme / Zustand", in dem er sich mit den politischen Herausforderungen nach der Corona-Pandemie beschäftigt.

Ein Interview mit der HBZ

Herr Senator Brosda, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Vielleicht steigen wir, damit unsere Mitglieder sich ein Bild machen können, einmal mit dieser Frage ein: Wie sieht der typische Arbeitsalltag im Leben eines Kultursenators aus?
Den typischen Arbeitsalltag gibt es zum Glück nicht. Die thematische Vielfalt und die immer wieder neuen Herausforderungen machen den Reiz meiner Arbeit aus. Nach einem Tag voller Sitzungen und immer noch vieler Zoom-Gespräche kommen jetzt zum Glück auch abends wieder vermehrt die vielen Kulturveranstaltungen hinzu, die ich während der Corona-Zeit schmerzlich vermisst habe. Hier finde ich die Anregungen und Inspirationen, die im Alltag oft zu kurz kommen. Und ich treffe viele spannende Leute, die unsere Kulturstadt so lebendig und vielfältig machen.

Neben Ihrer Arbeit als Senator haben Sie im letzten Jahr ein Buch zur Rolle der Kultur in der Demokratie veröffentlicht (Anmerkung der Redaktion: Die Kunst der Demokratie: Die Bedeutung der Kultur für eine offene Gesellschaft; Hoffmann und Campe Verlag, 2020). Das interessiert uns näher. Welche Rolle spielt die Kultur Ihrer Ansicht nach in der Demokratie?
Eine fundamentale! Oft wurde ja in den letzten Monaten von der Systemrelevanz der Kultur gesprochen. Ich fand immer, dass das viel zu kurz greift. Kultur erfüllt keine Funktion, sondern ist das Fundament unserer Gesellschaft.

Was meinen Sie damit? Warum ist Kultur Ihrer Meinung nach so wichtig?
Weil Kultur die Grundlage unseres Zusammenlebens bildet. Hier werden die fundamentalen Fragen unserer Gesellschaft behandelt. Wie wollen wir miteinander leben? Was macht uns als Gesellschaft aus? Dabei werden wir in der Kultur immer wieder auch mit den Fragen konfrontiert, die wir uns selber wahrscheinlich gar nicht gestellt hätten. Und im besten Fall finden wir auch die Antworten, die uns helfen, unser Zusammenleben zu organisieren.

Gelingt das gegenwärtig gut oder wo sehen Sie Schwierigkeiten?
Im Großen und Ganzen betrachtet macht mir schon Sorgen, wie sehr oft Kultur und Politik aneinander vorbei wirken. Wie beiläufig zum Beispiel die Kultur stellenweise im Rahmen der Corona- Pandemie dichtgemacht wurde, zeigt, wie wenig Bewusstsein da stellenweise für die Kultur vorhanden ist. Auch wenn die Einschränkungen notwendig waren, hätte es da doch etwas mehr Begründung und Differenzierung gebraucht. Vor allem aber einen lebendigen Austausch, der ja auch trotz Corona möglich war und den wir jetzt hoffentlich wieder verstärkt aufnehmen können.

Wie erleben Sie die Kulturszene in Hamburg diesbezüglich und generell?
Für Hamburg kann ich sagen, dass wir den Wert der Kultur ganz gut erkannt haben und zum Beispiel als Senat in einem sehr engen Austausch mit der Kultur stehen. Dieses Bewusstsein füreinander ist über Jahre gewachsen. Das hängt natürlich ganz wesentlich mit der immensen Qualität und Vielfalt der Kultur in Hamburg zusammen: vom Schauspielhaus als größter Sprechbühne in Deutschland über die traditionsreiche Oper und die Kunsthalle, die einen Rundgang durch acht Jahrhunderte Kunstgeschichte ermöglicht, bis zu der dichten Musikclubszene rund um die Reeperbahn. Dank der Elbphilharmonie wird diese Qualität der Kulturstadt Hamburg endlich auch international wahrgenommen. Die Hamburgerinnen und Hamburger wissen natürlich schon lange, welche Bedeutung Kultur für die Stadt hat. Nicht umsonst hat zum Beispiel Olaf Scholz schon vor Jahren als Erster Bürgermeister seine Grundsatzrede zum Thema Zuwanderung im Thalia Theater gehalten. Diese Orte der Kultur geben den Raum für offenen Diskurs.

Wenn wir in die jüngere Zeit schauen: Welches war die größte Herausforderung und was Ihr größter Erfolg bei dem Erhalt der Kultureinrichtungen und Überlebenshilfe für die Kulturschaffenden in Hamburg während der Pandemie?
Die größte Herausforderung bestand sicherlich in den letzten Monaten darin, die Kultur möglichst unbeschadet durch die Corona-Krise zu bekommen. Ich bin da sehr froh, dass wir in Hamburg vom ersten Tag an die Kultur bei den Hilfspaketen mitberücksichtigt haben und Andreas Dressel, Michael Westhagemann und ich mit unseren Behörden sehr eng die notwendigen Hilfen organisiert haben. Viele Hilfen konnten wir auch mit den Künstlerinnen und Künstlern bzw. deren Verbänden passgenau abstimmen.

Könnten Sie etwas konkretisieren? Oder mithilfe von ein, zwei Beispielen fassbarer machen?
Viele Musikclubs haben zum Beispiel sehr schnell auf die coronabedingte Schließung reagiert und Konzerte im Internet gestreamt. Das war auch gut und richtig, um Kultur weiter erlebbar zu machen. Davon aber konnten die Künstlerinnen und Künstler natürlich nicht leben. Daher haben wir zusammen mit Rockcity den Gagenfonds auf den Weg gebracht, über den wir knapp eine Million Euro auch nachträglich an Gagen für Künstlerinnen und Künstler gezahlt haben. So haben wir Kultur weiter erlebbar gemacht und geholfen, dass die Künstlerinnen und Künstler auch wieder etwas verdient haben.

Froh bin ich auch, dass die Länder zusammen mit dem Bund den Sonderfonds Kultur auf den Weg gebracht haben, mit dem wir Kulturveranstaltungen teilweise erst wieder möglich gemacht und so das gesamte kulturwirtschaftliche Ökosystem wieder in Schwung gebracht haben. Dieser Fonds baut unter anderem auf den guten Erfahrungen auf, die wir in Hamburg bei den Corona-Hilfen gesammelt haben. Die Idee ist im gemeinsamen Gespräch mit der Veranstaltungsbranche in unserer Behörde entstanden.

Wie fällt Ihr vorläufiges Resümee zur Situation der Kulturszene in Hamburg nach Corona aus?
Niemand konnte sich sicher sein, wie viele Künstlerinnen und Künstler nach der Pandemie noch da sind und wie viele aufgegeben haben. Wir sind sehr froh, dass der Kultursommer mit über 1.800 Kulturveranstaltungen und mehr als 5.700 Künstlerinnen und Künstlern aus den unterschiedlichen Sparten gezeigt hat, wie lebendig und vielfältig die Kulturszene in Hamburg weiter ist. Dies zeigt sich auch jetzt in der wunderbaren Zeit der Premieren und Festivals.

Wenn Sie auf Ihre Zeit als Kultursenator zurückblicken: Was sehen Sie als größte Herausforderungen und größte Erfolge seit Ihrem Amtsantritt 2017 in der Zeit vor der Pandemie?
Sehr dankbar bin ich, dass ich zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen in der Behörde den engen und vertrauensvollen Austausch mit der Kulturszene, den meine Vorgängerin Barbara Kisseler begonnen hat, weiter ausbauen konnte. Wir werden als gute Ansprechpartner und verlässliche Ermöglicher für die Kunst und Kultur, aber auch für den Mediensektor in der Stadt wahrgenommen. Das freut mich sehr.

Noch einmal zurück zur Eingangsfrage und zur Rolle der Kultur in der Demokratie: Welche Rolle kann und sollte ein Verein wie unserer, der vorwiegend von Pensionärinnen und Pensionären geprägt ist, in diesem Zusammenhang spielen? Was würden Sie sich vom VHSt wünschen?
Unsere Gesellschaft lebt ganz wesentlich vom persönlichen Engagement vieler, die Verantwortung übernehmen und sich für den Zusammenhalt einsetzen. Wir haben auch in der Verwaltung so viele engagierte Kolleginnen und Kollegen, die sich für ihre Stadt einsetzen. Ich freue mich, dass der Verein Hamburgischer Staatsbeamten dieses Engagement auch in die Zeit des Ruhestands verlängert und so den Kontakt zu unseren Pensionärinnen und Pensionären lebendig hält.

Welche Möglichkeiten hat unser Verein, aus Ihrer Sicht als ehemaliger Staatsrat und nun Senator, um die Kolleginnen und Kollegen am Übergang in den Ruhestand "aufzufangen"?
Einfach da zu sein und mit dem vielfältigen Beratungsangebot auch bei den Fragen rund um den Einstieg in den Ruhestand zur Seite zu stehen ist schon von großem Wert. Schön finde ich zudem, wie der Verein mit großer Neugier an seine Mitglieder berichtet, was sich in der Stadt und in der Hamburger Verwaltung täglich tut.

Was würden Sie uns empfehlen, um als Verein für den öffentlichen Dienst wieder mehr wahrgenommen zu werden?
Ich finde immer wieder beeindruckend, mit welcher Leidenschaft viele im öffentlichen Dienst für das Zusammenleben in der Stadt arbeiten. Wenn der Verein diese Leidenschaft zur Grundlage seiner Arbeit nimmt, dann ist mir um die Zukunft nicht bange.


Autor: VHSt
Fotos: (c) Hernandez für die Behörde für Kultur und Medien

HBZ · 12/2021
 
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