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25 Jahre Hinz&Kunzt

Das Straßenmagazin für Hamburg

Am 6. November 1993 erblickte Hinz&Kunzt, das Hamburger Straßenmagazin, das Licht der Welt. Seitdem sind das monatlich erscheinende Heft und seine Verkäufer aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken.

Seit einem Vierteljahrhundert ist das Hinz&Kunzt eine Einnahmequelle für Obdachlose, Ex-Obdachlose und Menschen in prekären Lebenslagen.

Erfolgsmodell Hinz&Kunzt

Mit einer gedruckten Auflage von 60.000 Magazinen monatlich, derzeit 530 Verkäufern aus 30 Ländern und 38 Verlagsangestellten, von denen 22 ehemalige Verkäufer sind, ist das Hinz&Kunzt das auflagenstärkste Straßenmagazin Deutschlands. Seit 1993 wurden knapp 20 Millionen Hefte verkauft. Geschrieben und gestaltet wird das Hinz&Kunzt von professionellen Journalisten, Fotografen und Grafikern. Der Schwerpunkt liegt auf Geschichten und Momentaufnahmen der Hinz&Künztler, wie die Magazinverkäufer hier genannt werden. Aber auch Sozialpolitik, Hamburg-Themen und Kultur sind feste Bestandteile des Inhalts.

Die Gesellschafter sind das Diakonische Werk Hamburg mit 66,6 Prozent und die Patriotische Gesellschaft von 1765 mit 33,3 Prozent. Der Betrieb des Verlages wird ohne öffentliche Mittel je zur Hälfte aus dem Verlagsgeschäft und Spenden finanziert. Die Verkäufer kaufen die Zeitung für 1,10 Euro direkt im Verlagsgebäude, bekommen einen Ausweis und verkaufen sie für 2,20 Euro weiter. Betteln, Alkohol- und Drogenkonsum sind dabei verboten.

Lobby, Projekte und Anlaufstelle

Neben einer Anlaufstelle mit kostenlosem Tee, Kaffee und Lebensmitteln von der Tafel bietet der Verlag seinen Verkäufern Hilfen in Form von Mietbürgschaften, Beratungen und Arbeitsprojekten wie dem "BrotRetter", bei dem fünf Obdachlose in der Filiale Lohbrügge der Firma Junge Brot und Backwaren vom Vortag zu günstigen Preisen verkaufen. Bei der Aktion "Spende dein Pfand!" sammeln drei Obdachlose am Flughafen in Behältern in den Terminals Pfandflaschen und sichern dadurch ihre sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstellen. Der so durch sie gesammelte Pfand kommt Hinz&Kunzt zu Gute.

Das Projekt "Rundgang Nebenschauplätze" ist ein alternativer Stadtrundgang, bei dem die ehemaligen Obdachlosen Chris und Harald auf einem eineinhalbstündigen, sechs Kilometer langen alternativen Rundgang durch die Innenstadt Besuchergruppen die Anlaufstellen der Obdachlosen zeigen. Die beiden bekamen durch das Projekt sozialversicherte Teilzeitstellen.

Tommy aus dem Portugiesenviertel

Thomas Dirk Böhnke, genannt Tommy, ist der Stamm-Hinz&Kunzt-Verkäufer im Portugiesenviertel in Hamburgs Neustadt. Seit 2005 verkauft er jeden Werktag von morgens bis zum späten Abend vor dem REWE-Markt im Brauerknechtgraben die Straßenmagazine, hilft älteren Leuten beim Tragen von Einkäufen und führt kleinere Reparaturen aus.

Ursprünglich ist der 52-jährige gelernter Dachdecker. Wenn man ihn fragt, wie er auf der Straße gelandet ist, erzählt Tommy gerne seine Geschichte. Als Baby von der Mutter bei den Großeltern in Farmsen abgeladen, wuchs er ohne Eltern auf. Als sein Großvater starb und die Großmutter zum Pflegefall wurde, kümmerte sich Tommy um sie, bis ihm alles über den Kopf wuchs: Arbeit, Freundin, Pflege der Oma … Die Großmutter kam ins Pflegeheim und Tommy zog mit seiner Freundin zusammen. Nach einigen Jahren verließ sie ihn wegen eines anderen Mannes und Tommy begann zu trinken. 2004 verlor er seinen Job und danach auch seine Wohnung.

Über seine Arbeit mit Hinz&Kunzt gefragt, erinnert sich Tommy an seine Anfänge: "Ich hatte kein Geld, wollte aber auch nicht klauen - das ist nicht meine Sache. Ich hab einen Kollegen gehabt - Gott hab ihn selig - der hat Hinz&Kunzt verkauft und mich mitgenommen. Ich habe 10 Zeitungen als Starterpaket und er 10 Zeitungen fürs Anwerben gekriegt. In dem Büro gibt es Listen, auf denen die Standplätze stehen, für die man sich, wenn sie nicht besetzt sind, eintragen lassen kann. Die Anfangszeit war schwer, ich wusste nicht so richtig, wie man sich verhalten soll, und es gab auch keine richtige Schulung."

Nachdem er von Dombesuchern schlafend mit Steinen beworfen wurde und beinahe gestorben wäre, bekam er ein Zimmer vermittelt und war von der Straße. Aber schon im folgenden Winter verlor er das Zimmer, als er von Bewohnern des ehemaligen Winternotprogramms im Schaarsteinweg zusammengeschlagen wurde und die ARGE seine Miete während des zweimonatigen Krankenhausaufenthalts nicht weiter bezahlte. Heute ist Tommy wieder obdachlos und schläft auf einer Parkbank beim Stintfang. Trotz der Kälte möchte er in keine der Unterkünfte gehen, da ihm dort seine wenigen Habseligkeiten geklaut würden. "Man muss die Bettpfosten in die Schuhe stellen, sonst hat man morgens meistens keine mehr", sagt er. Halt gibt ihm vor allem der Kontakt zu den Leuten aus dem Markt und dem Viertel, die ihm manchmal kleine Arbeiten geben und ihn auf Gängen zu Ämtern begleiten, bei denen er allein oft gegen eine Mauer rennt. "Hinz&Kunzt und die tägliche Routine des Magazinverkaufs hat mir auch sehr geholfen, damit ich nicht ganz abrutsche", sagt Tommy.

So oder so ähnlich klingen viele Geschichten der rund 530 Hinz&Kunzt-Verkäufer auf Hamburgs Straßen. Mit Kauf des monatlichen Magazins unterstützt man die gute Sache, die Verkäufer und begegnet sich auf Augenhöhe.

Autor: VHSt
Fotos: Hinz&Kunzt

HBZ · 01/2019
 
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