Fabelhafte Fab Labs
Digitale Werkstätten für alle
Das Fab Lab Fabulous St. Pauli, Foto: (c) Axel Sylvester
Was genau ist ein Fab Lab? 'Fab Lab' ist die Abkürzung der englischen Bezeichnung 'Fabrication Laboratory' und steht seit Beginn des neuen Jahrtausends für offene Räume oder auch Werkstätten, in denen Menschen eigene computergesteuerte Projekte verwirklichen.
Fabrikation neu gedacht und umgesetzt
Ein Fab Lab, mitunter auch "Maker Space" genannt, vereint Kreativität, Innovation, Lernen und Schaffen in einer offenen Räumlichkeit. Als Erster setzte der US-amerikanische Physiker und Informatiker Professor Neil Gershenfeld die Idee einer neuen Form des gemeinsamen Entwicklungslaboratoriums im Jahr 2001 am Institute of Technology der Universität Cambridge im Bundesstaat Massachusetts um. Gershenfeld war getrieben von der Frage, was man braucht, um nahezu alles herstellen zu können.
Gershenfelds Fabrication Laboratory wurde mit unterschiedlichen rechnergesteuerten Maschinen ausgestattet, die den neusten Fertigungsstandards entsprachen. Diese Minifabrik, in der die fähigsten Köpfe der Hochschule zusammen agierten, konnte es mit den höchsten Standards der US-Industrie aus dem Bereich des Rapid Manufacturings, also der schnellen Produktion, aufnehmen.
Studenten konnten so ihre individuellen und kreativen Ideen umsetzen. Außerhalb der Industrie war der Weg offen für die kostengünstige Herstellung von Prototypen oder sogar Endprodukten.
Eine Bewegung entsteht
Auf den Erfolg des ersten Fab Labs folgte eine regelrechte Welle, die sogenannte Maker-Bewegung. In Deutschland dauerte es bis zum Jahr 2009, als das erste Fab Lab an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen seine Arbeit aufnahm. Mittlerweile existieren weltweit über 2.400 Fab Labs in rund 80 Ländern.
Unter Einbeziehung verschiedener Strömungen und Themen beispielsweise in den Maker Spaces, die aus den "Hacker Spaces" entstanden, haben Fab Labs als Schnittstelle zwischen Mensch und Technik eine gewichtige Bedeutung. Nicht nur moderne Industrienationen profitieren von den Hightech-Laboratorien. Besonders strukturschwache Länder erhalten so die Möglichkeit, eine technikorientierte Bildung anzubieten.
Die "Fab Charter" ist eine 2007 entstandene grundlegende Satzung, nach der sich alle Fab Labs richten. Nach ihrem Selbstverständnis sind die Fab Labs untereinander vernetzt, auch wenn jede einzelne Minifabrik einen eigenen Themenschwerpunkt, ein anderes Aussehen oder eine andere Ausstattung hat. Unter dem Gesichtspunkt der Selbstorganisation ist in Deutschland die gängigste Erscheinungsform der eingetragene Verein. Durch die vielfältigen Entwicklungen und Innovationen zum Beispiel in den Bereichen 3-D-Laserdruck, Lasercut oder CNS-Fräsung gelten viele Fab Labs als Werkstätten des Wandels.
Andreas Bochmann vom Fab Lab Fabulous St. Pauli
St. Pauli: Wiege der Hamburger Fab Labs
Das erste Fab Lab Hamburgs und gleichzeitig auch das wohl beliebteste der kreativen Szene der Stadt ist das 2011 gegründete "Fabulous St. Pauli", das jeder Hamburgerin und jedem Hamburger offen steht. Den Beinamen "St. Pauli" verdankt das Fabulous den Gründern, die auf St. Pauli verwurzelt sind. Damals noch in dem selbstverwalteten Nachbarschaftszentrum Centro Sociale gegründet, musste das Fab Lab schließlich durch mehr Platzbedarf umziehen. Da die Mieten auf St. Pauli durch die Gentrifizierung stiegen, wurde die Halle 4k im neuen Kreativquartier Oberhafen in der HafenCity zur neuen Heimat. Das Fabulous St. Pauli ist Gründungsmitglied des Fab City Hamburg e. V., zu dem u. a. auch die Helmut-Schmidt-Universität gehört. Es war bereits Austragungsort verschiedener Szenetreffs wie dem A/D/A Festival, bei dem es in zahlreichen Workshops um eine smartere Stadtentwicklung ging: die Erleichterung des Alltags und des Arbeitslebens durch Digitalisierung und Re-Analogisierung öffentlicher Flächen.
Fab Lab Fabulous St. Pauli
Frei zugänglich richtet sich das Fabulous St. Pauli ganz nach der Fab-Lab-Charter: Alle Interessierten, die selbst etwas herstellen möchten, können hier die vorhandenen computergesteuerten Technikkomponenten nutzen. "Da unser Fab Lab ein gemeinnütziger Verein ist und wir das bisher alles ehrenamtlich machen, gibt es nur wenige Tage pro Woche, wo wirklich zuverlässig jemand vor Ort ist. Wir haben den Open-Lab-Day immer donnerstags ab 16:30 Uhr. Da kann jeder kommen und wir helfen ihnen, ihre Projekte bestmöglich umzusetzen", sagt Andreas Bochmann, Vorstandsmitglied des Vereins.
Montags findet, wenn sich genügend Interessierte finden, eine Einführung statt, um das Prinzip und die Möglichkeiten des Fab Labs zu erklären. Zudem gibt es unterschiedliche Workshops, in denen Einführungen an den Geräten erfolgen oder die Besucher mithilfe frei verfügbarer Software eigene Erfindungen und Ideen umsetzen können.
Fab Lab Fabulous St. Pauli e. V.
Halle 4k
Stockmeyerstraße 43
Telefon: (040) 31 79 10 53
www.fablab-hamburg.org
Zwei Generationen von 3-D-Druckern im Fabulous St. Pauli
Von Prototypen bis Bienenhotels
Nach typischen Projekten gefragt, antwortet Andreas Bochmann: "Die Projekte sind sehr vielfältig, da man hier mit einem digitalen Entwurf als Vorlage fast alles machen kann, und das wiederholbar für Serienfertigungen. Oft sind es Leute, die Prototypen bauen oder Schaltungen für Elektrik löten wollen. Wir haben aber auch oft Leute, die selbst gemachte Geschenke bauen. Das sind mal Schlüsselanhänger mit dem 3-D-Drucker oder Lampen und Bienenhotels mit Lasercutter und Fräse."
Zur Standardausrüstung des Fab Labs gehören 3-D-Drucker, Lasercutter und eine große CNC-Fräse. Sehr gefragt sind bei Fabulous St. Pauli aber auch Folienplotter und die Lötstation. Zudem gibt es hier eine computergesteuerte Strickmaschine und viele weitere Geräte und Werkzeuge, sodass den Möglichkeiten kaum Grenzen gesetzt sind. Die neueste Errungenschaft ist ein Roboterarm. Was er kann? "Wir haben ihn erst ein paar Wochen und derzeit haben wir mit ihm Legosteine von A nach B gestellt", sagt Andreas Bochmann und lacht. "Damit kann man aber noch viel mehr machen. Wir können ihn mit anderen Geräten koppeln und damit wiederholt Bretter in den Lasercutter legen oder Teile in der Fräse umdrehen und so von allen Seiten bearbeiten lassen."
Viel ungenutztes Potenzial
Der Fab City e. V. wird nicht grundlos von der Behörde für Wirtschaft und Innovation gefördert. In den Fab Labs stecken noch viele Möglichkeiten, um öffentlich geförderte Projekte umzusetzen. Sei es, um sie zur zeitgemäßen Wissensvermittlung zu nutzen, Projekte in Umweltschutz oder Ressourceneffizienz umzusetzen oder die Digitalisierung voranzutreiben. Fab Labs sind Orte für Innovationen, an denen alle teilhaben können.
Quellen: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Fabulous St. Pauli, Netzwerk Fab Lab, Neil Gershenfeld and the MIT; Fab Lab Fabulous St. Pauli e. V.
Bildergalerie
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Autor: Samira Aikas
Fotos: (c) Axel Sylvester
HBZ · 07/2022
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