Tarifrunde 2023 - Verhandlungen zum TV-L ab Oktober
Heißer Herbst im öffentlichen Dienst?
Kundgebung des dbb auf dem Gänsemarkt in der Tarifrunde 2021, Foto: (c) Helgard Kastner
Inflation, hohe Lebenshaltungskosten und noch höhere Mieten in der Großstadt: Auch Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind von dieser Entwicklung betroffen. Kein Wunder, dass die Gewerkschaften einen ordentlichen Nachschlag fordern.
Im April 2023 erstritten bereits die Beschäftigten von Bund und Kommunen, für die der TVöD gilt, eine Erhöhung ihrer Bezüge. Bei einer Laufzeit von 24 Monaten erhalten sie unter anderem ein in mehreren Stufen ausgezahltes steuer- und sozialabgabenfreies Inflationsausgleichsgeld in Höhe von insgesamt 3.000 Euro. Ab März 2024 folgt eine Erhöhung der Tabellenentgelte um 200 Euro und zusätzliche 5,5 Prozent. Die Bezüge der Auszubildenden werden um 150 Euro erhöht. Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel zeigte sich gemäßigt zufrieden. Der Abschluss sei zwar schmerzhaft, aber gerade noch vertretbar. Positiv sei aber, so Dressel: "Das hilft uns, unsere öffentlichen Unternehmen als attraktive Arbeitgeber zu positionieren."
Nun geht es um den TV-L
Allerdings gilt der TVöD nur für einen kleinen Teil der fast 78.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Hamburg. Für deren Mehrzahl ist der Tarifvertrag der Länder (TV-L) maßgeblich. Über dessen Laufzeit seit Oktober 2021 stieg der Verbraucherpreisindex bis jetzt um über 12 Prozent, der Index für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sogar um ca. 26 Prozent. Es gibt also Nachholbedarf, wenn im Herbst die nächste Tarifrunde ansteht. Am Tarifkonflikt beteiligt sind die Gewerkschaften ver.di, der deutsche beamtenbund und tarifunion (dbb) sowie die komba gewerkschaft, die zugleich Mitglied im dbb ist.
Inwieweit das Ergebnis des TVöD Vorbild für die Tarifrunde zum TV-L sein könnte, darüber schweigen sich die Beteiligten aus. Noch gebe es keine konkreten Forderungen, erklärte Frank Zitka, Pressesprecher des dbb: "Die gemeinsamen Forderungen werden vom dbb und von ver.di in parallelen Sitzungen erst am 11. Oktober beschlossen."
Unterstützung trotz Streikverbot
Doch schon im Vorfeld werden Gespräche geführt. So kam etwa am 27. Juli der neugewählte Vorsitzende des dbb Hamburg, Thomas Treff, öffentlichkeitswirksam mit Finanzsenator Dressel zusammen. "Hauptziel des Gesprächs war zunächst das persönliche Kennenlernen, um dadurch ein gutes Fundament für die zukünftige inhaltliche Zusammenarbeit zu legen", erklärte der dbb. Weitere Treffen auch mit Bürgerschaftsabgeordneten seien geplant.
Zwar gilt für Beamtinnen und Beamte das Streikverbot, doch dbb-Sprecher Zitka deutet andere Formen der Unterstützung an: "Streiken können in der Tat nur unsere Tarifbeschäftigten, unterstützt zum Beispiel auf Demos und Mahnwachen durch viele verbeamtete Kolleginnen und Kollegen." So rief die komba gewerkschaft etwa im Kontext der Verhandlungen zum TVöD im März zu einem Warnstreik auf sowie zu einer Demo mit Abschlusskundgebung auf dem Gänsemarkt - dem Sitz der Finanzbehörde.
ver.di mobilisiert
Auch ver.di bereitet die Tarifrunde vor und mobilisiert ihre Mitglieder. Aktuell werden deren Meinungen zur Höhe der Forderung und zugleich die Streikbereitschaft abgefragt. Schon am 3. Juli übergaben Beschäftigte 30 "Brandbriefe" an Finanzsenator Dressel. Darin schilderten Betroffene die hohe Arbeitsbelastung angesichts von Personalmangel. Fachkräfte würden ins Umland ausweichen, dort seien Bezahlung und Konditionen besser. Gefordert wird eine "Hamburg-Zulage", weil die Lebenshaltungskosten in der Metropole höher seien. Vorbild ist die "Hauptstadtzulage" von 150 Euro, die den Beschäftigten des Landes Berlin gezahlt wird.
Claas Ricker, Pressesprecher der Finanzbehörde, wies die Kritik zurück: "Die Freie und Hansestadt Hamburg ist eine attraktive Arbeitgeberin." Die Elbmetropole biete ihren Beschäftigten nicht nur Arbeitsplatzsicherheit, sondern auch sonst viele Vorteile, wie z. B. die beamtenrechtliche Versorgung oder die Zusatzversorgung für die Tarifbeschäftigten und familienfreundliche Arbeitsbedingungen.
Kommt die Hamburg-Zulage?
Dass im Umland besser gezahlt werde, bestritt Ricker und verwies darauf, dass die umliegenden Bundesländer die beim Land angestellten Tarifbeschäftigten genauso wie Hamburg auf der Basis des TV-L entlohnen. Doch wie steht es angesichts der unbestritten hohen Lebenshaltungskosten in unserer Stadt mit der "Hamburg-Zulage"? Ricker: "Ein Alleingang einzelner Länder kommt tarifrechtlich und tarifpolitisch nicht infrage. Es besteht nicht ohne Grund eine Tarifgemeinschaft, um eben genau keinen Wettbewerb unter den Ländern zu haben." Dressels Sprecher lässt aber eine Hintertür offen: Den Gewerkschaften stehe es "natürlich frei, [...] gemeinschaftlich entsprechende Forderungen zu formulieren". Es dürfte ein spannender Herbst werden.
Quelle: Gewerkschaft ver.di; dbb beamtenbund und tarifunion; Finanzbehörde Hamburg, Hamburgische Bürgerschaft, komba gewerkschaft, Statistisches Bundesamt
Autor: Reinhard Schwarz
Fotos: Helgard Kastner
HBZ · 09/2023
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