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Deutschlands einziges Fächermuseum steht in Bielefeld

Fächer - Spiegelbilder ihrer Zeit!

Bielefeld, oft als Provinzstadt gescholtenen, kann sich in Punkto Fächer-Museum auf Augenhöhe mit den grossen Metropolen London und Paris vergleichen. Denn in Bielefeld steht Deutschlands einziges Fächer-Museum, von denen es weltweit nur diese drei gibt.

Und das zieht jährlich tausende Besucher aus dem Inund Ausland an. Das Sammlerehepaar Marie-Luise und Günter Barisch hat 1994 eine Stiftung gegründet, die das Museum unterhält. In Bielefelds Altstadt Am Bach 19 steht alles im Zeichen des Fächers: Von der Türklinke über die Fliesen in der Toilette bis zu den Vorhängen von Karl Lagerfeld, einem bekennenden Fächer-Fan. Eine umfangreiche Fachbibliothek und eine Restaurierungswerkstatt ergänzen das Museum.

Wie alles begann - ein Wunsch wird Wirklichkeit

Sein Beruf als Hochbau- und Innenarchitekt führte Günter Barisch in zahlreiche Städte und Metropolen Deutschlands und des westlichen Auslandes. Das rastlose Arbeitsleben liess Autobahnen und Flughäfen zur zweiten Heimat werden. Denn er war gefragter Spezialist für Planung und Einrichtung führender Modehäuser - so auch in Hamburg. Die Zusammenarbeit mit dieser eleganten, modebewussten und kunstsinnigen und kunstsinnigen Klientel bereitete ihm grosse Freude und vermittelte zugleich auch viele Anregungen. Enge Kontakte mit privaten Bauherren erschlossen seiner Frau Marie-Luise und ihm mit viel Sachbestand und grosser Kennerschaft zusammengetragene Sammlungen, die häufig ihre endgültige Bleibe in angesehenen Museen fanden. Unvermeidliche Wartezeiten bei Ortsterminen nutzten die Eheleute zu Museumsbesuchen und erweckten den Wunsch, auch selbst kunsthandwerkliche Erzeugnisse vergangener Jahrhunderte zu erwerben.

Nach dem ersten, eher zufälligen Kauf eines Fächers vor 35 Jahren auf einer Antiquitätenmesse konnten sie sich der Faszination, die von diesen Miniatur-Kunstwerken im Halbrund ausging, nicht mehr entziehen. Der englische Faltfächer aus der Zeit um 1750 zeigt die Hochzeit der Maria von Medici nach einem Gemälde von Paul Rubens, dem das Ehepaar nicht widerstehen konnte.

Günter Barisch: "Noch heute gehört er zu den Lieblingsstücken unserer umfangreichen Sammlung, die Fächer aus fünf Jahrhunderten und nahezu aller Herren Länder umfasst."

Der Erwerb des ersten Fächers warf viele Fragen auf, ein Lernprozess begann und löste das Verlangen aus, weitere Exemplare zu besitzen , um die unglaublich variationsreiche Vielfalt der Fächer in einer Sammlung dokumentieren zu können.

Souvenirs im Halbrund - die aktuelle Ausstellung im Museum

Die aktuelle Ausstellung im Fächer-Museum lädt den Besucher zu einem Streifzug durch die europäische Andenkenkultur ein -von der Grand Tour bis hin zur Weltausstellung. Dabei steht weniger der Fächer als massentauglicher Souvenirartikel im Vordergrund, sondern vielmehr der Unikatcharakter der gezeigten Preziosen des ausgehenden 18. bis frühen 20. Jahrhunderts. Die Bandbreite umfasst feine italienische Fächerblätter mit antiken römischen Bauwerken, kostbare Erinnerungsstücke aus der Schweiz, Spanien und Wien, historisch bedeutsame Autographen Fächer oder Fächer mit Portraits und Stadtansichten.

Andenken an royale Hochzeiten sind bei der Schau ebenso vertreten wie druckgraphische Erinnerungsstücke zu verschiedensten Anlässen.

Marie Luise und Günter Barisch:
»Schönes und Wertvolles sollte nicht nur erhalten, erforscht und bewahrt, sondern einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, die an der Freude über die Zeugnisse einer fast vergessenen, aussergewöhnlichen Kunstgattung teilhaben soll. Wir tragen mit unserem Museum dazu bei und freuen uns über viele Besucher!«

Glanzzeiten des Fächers

In seinen Glanzzeiten im 17. Und 18. Jahrhundert kam ihm der gesellschaftliche Stellenwert eines Luxusgutes zu, galt als Rangabzeichen, das Stand und Ansehen wie auch Kunstverständnis und feinen Geschmacksignalisierte. Über seine dekorativen Eigenschaften hinaus vermittelt der Fächer auch noch soziale, politische und kunstgeschichtliche Eigenarten einer jeden Epoche.

Wann und wo der erste Fächer entstand, lässt sich heute nicht mehr genau sagen. Dass dies aber sehr weit zurückliegt ist bekannt, denn ein goldener Wedel mit Federn wurde sogar im jahrtausend alten Grab des Tutanchamun (1350 v. Chr.) gefunden. In früheren Zeiten kamen auch Palmblätter und andere Naturmaterialien zum Einsatz, um sich Frischluft zuzufächeln und Insekten zu vertreiben. Fächer galten lange Zeit als Hoheitssymbol, das den Pharaonen und chinesischen Mandarinen vorbehalten war.

Der faltbare Fächer, wie wir ihn heute im Allgemeinen kennen, gelangte im 16. Jahrhundert durch den portugiesischen Handel mit Ostasien nach Europa. Dieser Faltfächer bestand aus einer unterschiedlichen Anzahl von Stäben, welche unten eng von einem Dorn und oben breiter von einem gefalteten Blatt zusammengehalten wurden. Der sogenannte Briséfächer hingegen besass kein Blatt, sondern nur breite Stäbe - diese waren durch ein Band miteinander zu einem Fächer verbunden.

Von Portugal aus gelangte der Fächer über Spanien und Italien in die übrigen europäischen Länder. Wegen der grossen Nachfrage, die durch den Import allein nicht gedeckt werden konnte, entwickelte sich in Europa bald auch eine eigene Produktion, die im 17. und 18. Jahrhundert auf Hochtouren lief. »Fächermacher« wurde zu einem anerkannten Kunsthandwerksberuf; allein in Frankreich, einem der Hauptzentren der Fächerproduktion, gab es Mitte des 18. Jahrhunderts mehr als 6.200 davon.

Kostbare Fächer erzählen Geschichte(n)

Das 18. Jahrhundert, vor allem das Zeitalter des Rokoko, war die grosse Blütezeit des Fächers. Die Stäbe wurden aus sehr kostbaren Materialien wie Elfenbein, Perlmutt oder Schildpatt mit Gold- und Silberauflagen, Schnitzereien oder sogar Edelsteinen gefertigt. Das Blatt aus Papier, Schwanenhaut oder Seide wurde zunächst überwiegend mit Szenen aus der Bibel oder der antiken Mythologie, später vermehrt mit heiteren Genre-Motiven in idealisierter Natur bemalt. Fächer erreichten einen sehr hohen Stellenwert als Statussymbol und waren bald als wichtiges Mode-Accessoire nicht mehr wegzudenken.

Das kostbare Accessoire, mit denen sich die eng geschnürten Damen der feinen Gesellschaft in stickigen Ballsälen ein wenig Frischluft zu wedelten, inspirierte auch manche Künstler. So fertigte der berühmte Juwelier Peter Carl Fabergé in seinem Atelier nicht nur Schmuck, sondern auch Fächerstäbe, deren Emaillebezug in 144 Farbtönen schillerte. Andere Fächerbauer verssahen die Gestelle mit einem kuriosen Innenleben: Kurzsichtige Damen verhalf ein Fächer mit eingebauter Lorgnon oder Vergrösserungsglas zum besseren Durchblick. und bisweilen verbargen sich in dem geschnitzten Elfenbein Puderdosen, Spiegel und sogar winzige Thermometer. Es entwickelte sich sogar eine eigene Fächersprache, mit der sich die Dame durch bestimmte Gesten ohne Worte mit ihrem Verehrer verständigen konnte.

Bei den Materialien waren der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Während Helen von Thurn und Taxis mit lilafarbenen Straussenfedern wedelte, bevorzugte die englische Königin Victoria einen in Preussen hergestellten Fächer aus filigranen schwarzem Gusseisen.

Im Empire und Biedermeier kamen äusserst zierliche, der damaligen Mode entsprechende Fächer aus fein durchbrochenem Horn oder Bein auf den Markt, wobei das Blatt zumeist mit schillernden Pailletten bestickt war.

Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte der Fächer eine erneute Blüte. Vor allem auf den persönlichen Geschmack der modisch tonangebenden französischen Kaiserin Eugénie (1826 - 1920) ist es zurückzuführen, dass für die Mode eine Rückorientierung auf das 18. Jahrhundert stattfand, was sich spezifisch auf das Dekor von Fächerblättern auswirkte. Berühmte Pariser Fächermanufakturen wie Duvelleroy oder Alexandre, die eigene Fächermaler beschäftigten, waren marktbeherrschend und lieferten ihre Erzeugnisse in alle Länder Europas.

Zur Erinnerung an ihre Bildungsreisen an die antiken Stätten gaben der Adel und das gehobene Bürgertum Fächer in Auftrag, die berühmte Bauwerke wie den Petersdom und das Kolosseum ebenso zeigten wie den Ausbruch des Vesuv. Queen Victoria und der österreichische Kaiser Franz Joseph I. wurden anlässlich ihres Thronjubiläums mit Fächern beschenkt, auf denen ihr Konterfei zu sehen war. Autogrammjäger erfreuten sich an Fächern mit prominenten Unterschriften: So wurde zum Berliner Kongress von 1878 ein Fächer von allen Aussenministern Europas signiert. Auch Reichskanzler Bismarck unterschrieb.

Seit dem späten 18. Jahrhundert wurden wegen der grossen Nachfrage und dem Verlangen nach Chinoiserien und Japonismus verstärkt Fächer aus dem chinesischen Kanton nach Europa eingeführt. Neben feinst geschnitzten Elfenbeinfächern waren besonders die sogenannten »Mandarinfächer « oder »Fächer mit hundert Gesichtern« um 1850 ein regelrechter Exportschlager. Sie zeichneten sich durch unzählige Figuren mit winzigen, applizierten Elfenbein-Gesichtern und Seidenkleidern aus.

Ab den 1860er/70er Jahren diente vermehrt teure, handgearbeitete Spitze als Blatt für Gestelle aus Perlmutt, Schildpatt, Elfenbein oder Ebenholz. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bildete Spitze meist nur noch die Randeinfassung extrem grosser Fächer aus bemalter Gaze. Auch Fächer aus bunten, exotischen Federn von Straussen, Pfauen und Paradiesvögeln wurden immer beliebter.

Um die Jahrhundertwende waren wieder handlichere Fächer gefragt. Die »Belle Epoque« (ca. 1890 - 1914) brachte qualitativ hochwertige Stücke mit süsslich verklärten Sujets hervor. Oft verbinden sich in dieser Zeit Motive des Rokoko mit der neuen floralen Formensprache des Jugendstils zu sehr reizvollen Kombinationen.

Der technische Fortschritt machte allerdings auch vor Fächern nicht halt: Wertvolle Naturmaterialien wurden ab etwa 1910 immer mehr von Celluloid und anderen Kunststoffen verdrängt, da diese neuen Stoffe nunmehr als fortschrittlich und schick galten.

Bis zum ersten Weltkrieg und der Abschaffung der Monarchie hielt sich der Fächer noch als wichtiges Modeaccessoire. In den goldenen 20er Jahren, dem sog. »Art Déco«, fanden sich vereinzelt überdimensionale Fächer mit gefärbten Straussenfedern auf grossen Bällen und Veranstaltungen. Darüber hinaus diente der Fächer als bunter Werbeträger oder, mit Unterschriften versehen, als Erinnerung an die Tanzstunde.

Nach dem zweiten Weltkrieg hatte der Fächer endgültig seine Bedeutung verloren und findet sich heute hauptsächlich als Reiseandenken und Werbeartikel wieder.

Die Faszination der alten Fächersprache und des vielseitigen, bewundernswerten Kunsthandwerks der Fächermacher zieht jedoch auch heute noch immer Menschen in ihren Bann.

Autor: VHSt, Quelle: Fächersammlung de
Fotos: Dietrich Severin, Susanne Freitag

HBZ · 04/2014
 
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